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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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ja ein richtiger Desperado sein. Wahrscheinlich hast du schon eine zehnseitige Akte. Weshalb haben sie dich denn die anderen Male geschnappt?«
    »Ach, ich bin von zu Hause abgehauen – zweimal.«
    »Wie alt bist du denn eigentlich?«
    »Vierzehn.«
    »Los, steig ein!« Ich öffnete die Wagentür. »Und mach bloß keine Dummheiten.«
    »Ich hau schon nicht ab«, murrte der Junge, während ich ihm den Sicherheitsgurt anlegte.
    »Das habe ich auch nicht befürchtet, Kleiner.«
    »Ich habe übrigens auch einen Namen. Tilden heiße ich.« Er reckte sein kantiges Kinn vor.
    »Meiner ist Morgan.«
    »Mit Vornamen heiße ich Tom.«
    »Und ich Bumper.«
    »Wollen Sie mich jetzt eigentlich einlochen?«
    »Klar.«
    »Na, das war ja zu erwarten.« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Wie konnte ich nur denken, ein Bulle würde mal wie ein menschliches Wesen handeln!«
    »Du solltest lieber nicht von einem menschlichen Wesen erwarten, daß es wie ein menschliches Wesen handelt. Auf diese Weise kannst du dir ein paar herbe Enttäuschungen ersparen.«
    Ich drehte den Schlüssel im Zündschloß, aber der Motor tat keinen Mucks. Die Batterie war leer.
    »Bleib mal schön sitzen«, forderte ich den Jungen auf und stieg aus.
    »Wo sollte ich denn schon hin?« brüllte er mir nach, während ich die Kühlerhaube aufmachte, um nachzusehen, ob jemand die Kabel herausgerissen hatte. Das kam nämlich ab und zu vor, wenn man seinen Wagen eine Weile unbewacht stehen ließ. Aber daran lag es diesmal offensichtlich nicht. Vielleicht stimmte mit dem Verteiler etwas nicht. Da ich nur knappe zwanzig Meter weiter die Straße hinunter eine Rufsäule entdeckte, ging ich darauf zu, nicht ohne mich mehrmals zu meinem kleinen Gefangenen umzudrehen. Ich forderte einen Mechaniker an, worauf man mir mitteilte, daß in etwa zwanzig Minuten einer bei mir vorbeikommen würde.
    Ich überlegte schon, ob ich nicht einen Sergeant verständigen sollte, da diese normalerweise ein Überbrückungskabel in ihren Wagen hatten, so daß ich deren Batterie hätte anzapfen können. Aber wieso diese Hektik? Was galt es denn noch groß zu beweisen? Und wem? Und wozu?
    Auf der anderen Straßenseite befand sich ein kleiner Stehimbiß, und ich wurde allmählich hungrig, als der Geruch von gebratenem Speck an meine Nase drang. Mein Appetit wuchs und wuchs. Ich schaute auf die Uhr und dachte, was soll's? Ich ging zum Wagen zurück und schnallte den Jungen los.
    »Was ist los? Wo gehen wir denn jetzt hin?«
    »Rüber auf die andere Straßenseite.«
    »Wozu? Fahren wir mit dem Bus auf die Wache?«
    »Nein, wir warten auf den Mechaniker. Wir gehen auf die andere Straßenseite rüber. Ich will dort was essen.«
    »Sie können mich doch nicht so da mit reinnehmen«, begehrte der Junge auf, als ich ihn über die Straße führte. Seine von Natur aus leicht geröteten Wangen waren inzwischen puterrot. »Nehmen Sie mir sofort die Handschellen ab!«
    »Du hast sie wohl nicht alle. Wie sollte ich so einen flinken jungen Kerl wie dich je wieder erwischen?«
    »Ich verspreche Ihnen, daß ich nicht weglaufe.«
    »Ich weiß, daß du das nicht tun wirst, wenn ich dich an den Handschellen habe.«
    »Das können Sie doch nicht machen – mich wie einen Hund an einer Kette da reinführen …«
    »Da ist niemand, der dich kennen könnte, Kleiner, und außerdem liegen die meisten, die da drinnen sind, selbst an der Kette. Es gibt also keinen Grund, sich groß aufzuregen.«
    »Ich könnte Sie deswegen anzeigen.«
    »Ach, tatsächlich?« Ich öffnete die Tür und schob ihn in die Imbißstube.
    An der Theke saßen nur drei Kunden – zwei kleine Gauner und ein Penner, der gerade eine Tasse Kaffee trank. Sie blickten nur kurz auf, ohne daß einem aufgefallen wäre, daß ich dem Jungen Handschellen angelegt hatte. Ich deutete auf einen Tisch im hinteren Teil.
    »So früh ist die Bedienung noch nicht da, Bumper«, begrüßte mich T-Bone, der Besitzer, ein großer Franzose mit einem weißen Kochhut, einem T-Shirt und einer weißen Hose. Ich hatte ihn noch nie in anderen Kleidern gesehen.
    »Wir brauchen aber einen Tisch, T-Bone.« Ich deutete auf die Handschellen des Jungen.
    »In Ordnung. Was darf's denn sein?«
    »Im Moment bin ich noch gar nicht so arg hungrig. Vielleicht ein paar ganz leicht gebratene Eier mit Speck und ein paar Scheiben Toast. Ach ja, und ein paar Bouletten. Ein Glas Tomatensaft. Kaffee. Und was der Junge noch will.«
    »Was hättest du denn gern, Kleiner?« wandte T-Bone sich an
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