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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag
Autoren: Mary Higgins Clark
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Das
bißchen, was noch da war, hätte Ihnen nicht mal für den
ganzen Tag gereicht. Der Regen hat ja aufgehört, aber es
bleibt weiter ganz schön kalt.»
Mike bemühte sich, ruhig zu klingen. «Hätten Sie’s
gesehen, wenn jemand in dem Verschlag gewesen wäre?
Ich meine, es ist doch ziemlich dunkel im Keller. Hätten
Sie’s bemerkt, wenn da drin eine schlanke junge Frau
vielleicht ohnmächtig geworden wäre?» Er konnte die
Gedanken des Mannes lesen. Er hält mich für betrunken
oder drogensüchtig. «Verflucht!» schrie Mike. «Meine
Frau ist verschwunden. Meine Frau ist spurlos
verschwunden!»
    Die Suche nach Laurie ging über Tage. Mike beteiligte
sich fieberhaft daran. Er durchkämmte jeden Zentimeter
der dichtbewaldeten Umgebung des Hauses. Er kauerte
zitternd auf Deck, als sie den See absuchten. Er stand
mißtrauisch dabei, als die gerade gelieferten Kohlen aus
dem Verschlag auf den Kellerboden geschaufelt wurden.
    Umringt von Polizisten, deren Namen und Gesichter
spurlos an ihm vorüberglitten, sprach er mit Lauries Arzt.
Ungläubig, fast tonlos berichtete er ihm von Lauries Angst
vor den Stimmen im Kohlenkeller. Als er geendet hatte,
unterhielt sich der Polizeichef mit dem Arzt. Er legte auf,
packte Mike bei der Schulter. «Wir suchen weiter.»
    Vier Tage später fand ein Taucher Lauries Leiche im
See. Tod durch Ertrinken. Sie war im Nachthemd. An der
Haut und im Haar hingen noch Reste von Kohlenstaub.
Der Polizeichef bemühte sich vergebens, die
unbegreifliche Tragik dieses Todes zu mildern. «Deshalb
endeten die Fußspuren am Verschlag. Sie muß
hineingeraten und aus dem Fenster geklettert sein. Es ist
ziemlich breit, und sie war schlank. Ich hab’ noch mal mit
ihrem Arzt gesprochen. Vermutlich hätte sie schon früher
Selbstmord begangen, wenn Sie nicht dagewesen wären.
Furchtbar, was Menschen ihren Kindern antun. Ihr Arzt
sagte, ihre Großmutter hat sie mit blödsinnigen
Ammenmärchen von klein auf so traktiert, daß sie vor
Angst wie gelähmt war.»
    «Sie hat darüber mit mir gesprochen. Sie wollte es
schaffen.» Mike hörte sich protestieren, hörte sich die
Vorkehrungen für Lauries Einäscherung treffen.
    Als er am nächsten Morgen seine Sachen packte, kam
die Immobilienmaklerin vorbei, eine praktisch gekleidete
weißhaarige Frau mit magerem Gesicht, die das Mitgefühl
in ihren Augen auch nicht hinter einem betont energischen
Auftreten verstecken konnte. «Wir haben einen Käufer für
das Haus», sagte sie. «Ich werde veranlassen, daß Ihnen
alles, was Sie behalten wollen, zugeschickt wird.»
    Die Uhr. Die antiken Tische. Die Bilder, über die Laurie
gelacht hatte, samt den wunderschönen Rahmen. Mike
versuchte sich auszumalen, allein ihre Mansarde in
Greenwich Village zu betreten, und konnte es nicht.
    «Was ist mit dem Grammophon?» fragte die Mäklerin.
«Eine echte Rarität.»
Mike hatte es in den Wandschrank zurückgestellt. Jetzt
holte er es heraus, hatte Lauries Schrecken wieder vor
Augen, hörte sie «Chinatown» intonieren, sich mit den
Falsettstimmen auf der alten Platte vereinen. «Ich weiß
nicht, ob ich’s haben möchte», erklärte er.
Die Maklerin machte ein mißbilligendes Gesicht. «Das
ist ein Objekt für Sammler. Ich muß mich verabschieden.
Geben Sie mir deswegen Bescheid.»
Mike blickte ihrem Wagen nach, bis er in der
kurvenreichen Zufahrt verschwand. Laurie, ich brauche
dich. Er öffnete den Deckel des Grammophons, wie er es
vor fünf Tagen getan hatte, vor einer Ewigkeit. Er
betätigte die Kurbel, suchte die Platte mit «Chinatown»,
legte sie auf, drückte die Abspieltaste. Er beobachtete, wie
der Plattenteller sich zu drehen begann, löste den Tonarm
und setzte die Nadel in der Einlaufrille auf.
«Chinatown, my Chinatown …»
Mike fühlte, wie er am ganzen Körper erschauerte. Nein!
Nein! Atemlos, wie gelähmt starrte er auf die rotierende
Platte.
«… Das Herz kennt keine andre Welt und findet
nirgends Ruh …»
Über den kratzigen Falsettstimmen der längst
vergessenen Sänger erhob sich Lauries strahlender Sopran,
erfüllte den Raum mit seiner herzzerreißenden,
wehmütigen Schönheit.
Ausgetrickst («Death on the Cape») © Mary Higgins
Clark 1989
Die Leiche im Schrank («The Body in the Closet») ©
Mary Higgins Clark 1990
Klempner Willys Meisterstück («Plumbing for Willy») ©
Mary Higgins Clark 1992
Der blinde Passagier («Stowaway») © Mary Higgins
Clark 1958
Schlangen im Paradies («Weep No More,
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