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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
Autoren: Rick Yancey
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versprochen, die hinter den schweren, mit Vorhängeschlössern gesicherten Türen von Motley Hill litten. Dieses Versprechen wurde gehalten, wenn auch ohne Zweifel nicht auf die Art, die er erwartet hatte. Ich denke sogar, dass es nicht dieses Versprechen war, welches ihn in erster Linie an dem Morgen beschäftigte, als wir in Dedham eintrafen, drei Tage, nachdem die Mutter-Anthropophagin zur Strecke gebracht worden war. Es war nicht Gerechtigkeit, was er suchte; es waren Antworten. Nicht Recht, sondern Exorzismus.
    »Charmant«, bemerkte Kearns bei unserer Ankunft an dem verfallenen Sanatorium. Er hatte darauf bestanden, uns zu begleiten, bevor er sich endgültig von Neuengland verabschiedete. Auch er wollte Warthrops revidierte Theorie des Falls verifizieren – zumindest sagte er das. »Ich bin auch einmal eingewiesen worden. Habe ich Ihnen das schon mal erzählt, Pellinore? O ja, drei lange Jahre dauerte es, ehe mir die Flucht gelang. Ich war damals gerade einmal siebzehn Jahre alt. Die ganze unmögliche Episode war das Werk meiner Mutter, Gott hab das engelsgleiche Wesen selig!« Er sah auf mich herab und lächelte. »Sie ist bei der Gesellschaft deines Arbeitgebers katalogisiert, unter M für ›Monster, mütterliche‹. Vier Tage nach meiner Rückkehr fiel sie die Treppe herunter und brach sich den Hals.«
    »Weshalb hat sie Sie einweisen lassen?«, fragte ich.
    »Ich war frühreif .«
    Die ehedem schwarz gekleidete Mrs. Bratton zeigte wenig Überraschung bei unserem überraschenden Erscheinen auf der durchgetretenen Veranda. Der Doktor überreichte ihr seine Karte und zwanzig Dollar in Gold, und sofort wurden wir in das kleine Sprechzimmer mit seiner übelriechenden Atmosphäre und dem abgegriffenen Drum und Dran geleitet, wo der greise Nervenarzt im Morgenmantel unter einer schäbigen Decke kauerte und trotz des prasselnden Feuers, das im Kamin tanzte, zitterte.
    Der einleitenden Nettigkeiten wurden wenige getauscht. Mit einem Funkeln in den grauen Augen stellte sich Kearns als Dr. John J. J. Schmidt aus Whitechapel vor.
    »Und was ist Ihr Fachgebiet, Doktor?«, erkundigte sich der alte Mann.
    »Anatomie«, antwortete Kearns.
    Warthrop deponierte zwei weitere Münzen auf dem Tisch neben Starrs Ellbogen und eröffnete sofort das Verhör.
    »Wer waren Slidell und Mason?«, fragte er.
    »Wahnsinnige«, murmelte Starr.
    »Ist das eine offizielle Diagnose?«, wollte Kearns wissen.
    »Nein, aber ich versichere Ihnen, Dr. Schmidt, Wahnsinn ist mein Fachgebiet.«
    »Sie waren Agenten der Konföderation?«, bedrängte der Doktor ihn.
    »Das haben sie nie vorgegeben, Warthrop, jedenfalls nicht mir gegenüber, aber ich bin ihnen auch nur ein Mal begegnet, und das auch nur kurz. Auf jeden Fall waren sie Fanatiker, was ›die Sache‹, wie sie es nannten, anging, und zwar die gefährlichste Art von Fanatikern: Fanatiker mit sagenhaften Summen zur Verfügung.«
    »Mein Vater hat Sie mit ihnen bekannt gemacht«, sagte der Doktor. Es war keine Frage.
    Der alte Mann nickte, und selbst diese kleine Gebärde rief einen Hustenanfall hervor, der mindestens zwei Minuten andauerte und an dessen Ende er denselben ekelhaften Stofffetzen zu Tage förderte und hineinspuckte. Neben mir kicherte Kearns, als ergötzte ihn etwas an dem Ritual.
    »Und wer, sagte mein Vater, waren sie?«
    »Philanthropen.«
    Kearns unterdrückte ein schallendes Lachen. Der Doktor warf ihm einen vernichtenden Blick zu und wandte sich wieder an Starr. »Philanthropen?«
    »Mit Interesse – lebhaftem Interesse, mit ihren Worten – an der Förderung der Wissenschaft der Eugenik.«
    »Fanatische Philanthropen«, wagte Kearns, der immer noch kicherte, zu bemerken.
    »Mein Vater«, sagte Warthrop. »Er nahm ihre Hilfe in Anspruch bei einem Experiment.«
    Starr nickte. »So wie ich es verstanden habe, ging es um die Fusion der beiden Spezies.«
    »O du lieber Gott!«, stieß Kearns mit gespieltem Entsetzen hervor.
    Warthrops Abscheu hingegen war nicht vorgetäuscht. » Anthropophagus mit Homo sapiens ? Wozu um alles in der Welt?«  
    »Das liegt doch auf der Hand, Pellinore«, sagte Kearns. »Um eine Tötungsmaschine zu erzeugen, deren Intellekt ihrem Blutdurst ebenbürtig ist. Das perfekte Raubtier. Das animalische Äquivalent zu Nietzsches Übermensch.«
    »Ich glaube nicht, dass er das so sah, Dr. Schmidt«, sagte Starr. »Die beiden vielleicht, Mason und Slidell, aber Warthrop nicht. ›Vielleicht steht es in unserer Macht, dem Seelenlosen eine
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