Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
Autoren: Rick Yancey
Vom Netzwerk:
Badezimmer, das Rasiermesser in der Hand, das halb rasierte Kinn mit blutstillender Watte gesprenkelt, und das Wasser in seiner Schüssel schimmerte in einem nicht unangenehmen Rosaton.
    »Was machst du?«, verlangte er bei meinem atemlosen Eintreten zu wissen.
    »Sie haben mich gerufen, Sir.«
    »Nein, Will Henry. Was hast du gemacht, bevor ich dich gerufen habe, und wieso hast du so lange gebraucht, um mit dem aufzuhören, das es dir unmöglich machte, gleich zu kommen?«
    »Ich war dabei, das Frühstück zuzubereiten, Sir.«
    »Frühstück! Wie spät ist es?«
    »Fast neun, Sir.«
    »Ich hasse rasieren.« Er hielt mir das Rasiermesser hin undsetzte sich auf die Kommode, dieweil ich sein Kinn zu Ende rasierte. »Bist du fertig?«, fragte er.
    »Der Hals noch«, antwortete ich.
    »Nicht mit der Rasur, Will Henry. Mit dem Frühstück.«
    »Oh. Nein, Sir.«
    »Nein? Weshalb nicht?«
    »Ich musste aufhören.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie haben mich gerufen, Sir.«
    »Bist du etwa frech, Will Henry?«
    »Nicht absichtlich.«
    Er grunzte. Ich wischte die Klinge sauber. Seine Augen folgten meiner Hand.
    »Was macht der Arm, Will Henry? Ich habe ihn mir seit einiger Zeit nicht mehr angesehen.«
    »Viel besser, Sir. Letzte Nacht ist mir aufgefallen, dass die Narben in der Dunkelheit zu leuchten scheinen.«
    »Das ist eine optische Täuschung.«
    »Ja, Sir. Das war auch meine Schlussfolgerung.«
    »Was gibt es zum Frühstück?«
    »Reibekuchen und Wurst.«
    Er verzog das Gesicht. Das Rasiermesser schabte an seinem Hals in einem bestimmten Rhythmus: schab, schab, wisch … schab, schab, wisch. Seine Augen verließen nicht einen Moment lang mein Gesicht.
    »Irgendwelche Post heute, Will Henry?«
    »Nein, Sir.«
    »Und keine Post gestern. Das ist ungewöhnlich.«
    »Gestern war Sonntag, Sir, und die Post kommt nicht vor zehn.«
    »Sonntag! Bist du dir da sicher?«
    Ich nickte. Schab, schab, wisch.
    »Ich nehme nicht an, dass du daran gedacht hast, ein oder zwei Teilchen auf dem Markt zu besorgen?«
    »Doch, Sir, das habe ich.«
    Er seufzte erleichtert auf. »Gut! Ich denke, ich werde eins davon nehmen.«
    »Das geht nicht, Sir.«
    »Und wieso geht das nicht? Jetzt bist du aber frech, Will Henry. Ich bin der Herr in diesem Haus; da meine ich doch, ich kann alles haben, was ich möchte.«
    »Es geht nicht, weil Sie gestern Abend das letzte gegessen haben.«
    »Habe ich das?« Er schien ehrlich überrascht zu sein. »Wirklich? Ich erinnere mich gar nicht daran. Bist du sicher?«
    Ich sagte ihm, dass ich das sei, und wischte ihm mit einem warmen Handtuch die schaumigen Reste vom Gesicht. Er schaute in den Spiegel und warf einen flüchtigen Blick auf sein Spiegelbild.
    »Wie schade«, grübelte er. »Schade hoch zwei: Erstens, dass ich keins zu essen habe, und zweitens, dass ich mich nicht daran erinnern kann, überhaupt eins gegessen zu haben! Wo ist mein Hemd, Will Henry?«
    »Ich glaube, ich habe es auf Ihrem Schrank gesehen, Sir.«
    Ich trottete ihm ins Schlafzimmer hinterher. Während er sich das Hemd zuknöpfte, sagte ich: »Ich könnte jetzt hinlaufen, Sir.«
    »Wo hinlaufen?«
    »Auf den Markt, ein paar Teilchen besorgen.«
    Er winkte geistesabwesend ab. »Ach, ich bin nicht wirklich hungrig.«
    »Sie sollten aber trotzdem etwas essen, Sir.«
    Er seufzte. »Müssen wir unsere Zeit wirklich wieder mit derselben lästigen Diskussion vergeuden, Will Henry? Was machst du gerade?«
    »Nichts, Sir.«
    Er schickte sich an, etwas zu sagen, überlegte es sich dann offenbar anders. »Irgendwas in den Zeitungen heute?«
    Ich schüttelte den Kopf. Eine meiner Aufgaben bestand darin, die Tageszeitungen nach Klatschgeschichten zu durchforsten, die ihn interessieren könnten. In letzter Zeit schien es nur eine potenziell gefährliche Angelegenheit zu geben, die für ihn von Interesse war. »Nichts, Sir.«
    »Bemerkenswert«, sagte er. »Nicht einmal im Globe ?«
    Erneut schüttelte ich den Kopf. Es war mehr als vierzehn Tage her, seit er den Mord den Behörden gemeldet hatte, und bis heute war nur eine kurze Nachricht und eine Todesanzeige in Dedhams Wochenschrift erschienen. Die Polizei, so schien es, nahm die Behauptung des Doktors, es läge ein Gewaltverbrechen vor, nicht ernst.
    »Der Teufel soll ihn holen!«, brummte der Monstrumologe. Ich wusste nicht, ob er sich auf Dr. J. F. Starr, das Opfer, oder auf Dr. John Kearns, seinen Mörder bezog.
    Warthrop hatte Gerechtigkeit für Hezekiah Varner und die anderen Unglücklichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher