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Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Autoren: Martin Hühn
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statt in München.“ Der Kapitän schluckte vernehmlich und lüftete kurz seine Uniformmütze, um seine kurzen dunklen Haare glatt zu streichen. Ähnlich verfuhr er mit seinem Schnurrbart. Dann verweilte er mit der Hand am glattrasierten Kinn und er fuhr fort, zu sprechen: „Ich kann noch nicht sagen, wie wir dermaßen weit von unserer Position abkommen konnten oder warum sämtliche Bordelektronik sich aufeinmal verabschiedet hat. Aber so ist die Lage. Bitte bleiben Sie vorerst in der Maschine, bis wir unsere Position feststellen konnten und Hilfe angefordert haben.“
    Es war deutlich zu merken, dass der Kapitän diese nüchterne Rede auch deshalb hielt, weil er sich selbst überzeugen musste, noch einen Rest von Kontrolle zu haben. Dennoch taten seine Worte den verbliebenen Gästen sichtlich wohl. Sie wirkten vernünftig und vermittelten Alf das Gefühl, sich bisher so weit richtig verhalten zu haben. „Angenehm, Kapitän“, antwortete der alte Mann mit sanfter aber fester Stimme. „Werden Sie die übrigen Passagiere zurück in die Maschine holen? Oder wollen Sie zunächst noch kontrollieren, dass hier keine Schmorbrände mehr am Kokeln sind?“
    Soweit hatte der Kapitän anscheinend noch gar nicht nachgedacht. Alfred musste ihm aber zugutehalten, das er dieses Versäumnis, ohne Zeit zu verschwenden, nachzuholen wusste und kurz entschlossen eine Antwort parat hatte: „Müller, Sie gehen ins Cockpit zurück und versuchen noch einmal irgendwie einen Notruf abzusetzen. Ich werde hierbleiben und wir werden gemeinsam alles gründlich auf Brände untersuchen. Dann räumen wir auf. Vor allem müssen wir die Toten wegschaffen, sonst können wir die Passagiere nicht ruhighalten, wenn sie zurückkommen. Anschließend holen wir weitere fleißige junge Leute zusammen mit den ausgestiegenen Verletzten rein, um sie zu versorgen, dazu noch die Kinder und Alten, damit da niemand erfriert. Zum Schluss alle Anderen.“
    Richardson unterbrach sich kurz, schien seine Gedanken zu sortieren. „Vielleicht sollten wir überprüfen, ob die Maschine sicher liegt“, fügte er nachdenklich hinzu. Im gleichen Augenblick vernahm Alfred ein sich rasch näherndes Donnern.
    Möglicherweise hätte er das lieber nicht gesagt, dachte er.
    Der Jet wurde mit einem Schlag von der Seite getroffen und wieder zu Tal gerissen. Alf begriff sofort, dass die unsanfte Landung des Flugzeuges eine Lawine ausgelöst hatte, zu deren Spielball es nun wurde. Keiner an Bord hatte noch Kraft übrig, um Entsetzen, Panik oder sonstige Gefühle zu entwickeln, die wohl eigentlich angebracht gewesen wären. Ihre Reaktion bestand aus nicht viel mehr als einem krampfhaften Griff an die Armlehnen. Hilflos erlebten sie, wie das gebeutelte Flugzeug erneut harten Stößen und Schlägen ausgesetzt wurde. Bang registrierte Alfred die klagenden Laute von verknickendem und reißendem Metall. Wie durch ein Wunder blieb die Hülle in einem Stück.
    Die Maschine kam erneut zum Stillstand. Alf, Katja, Rolf, Lena, Erik das alte Ehepaar und der Kapitän blieben reglos auf ihren Sitzen hocken, unfähig irgendeine Handlung zu beginnen. Jacques Müller, der Kopilot war mit dem Kopf auf eine Sitzkante geschleudert worden und kein Hals eines Lebenden konnte in einem solchen Winkel abstehen. Die Lawine musste den Flugzeugrumpf über die ausgestiegenen Passagiere hinweggeschoben haben. Es schien Alf ausgeschlossen, dass jemand das überlebt haben sollte. Alles, was oberhalb des Flugzeugs lag, war unter vielen Metern Schnee begraben, der sich bis vor Alfreds Fenster auftürmte. Keiner sagte irgendetwas, keiner rührte sich. Selbst Katja schien jeder Antrieb verlassen zu haben. Schließlich war es die alte Frau, die sich mit einem heftigen Kopfschütteln als Erste aus ihrer Lethargie befreite: „Wir sind nicht nur am falschen Ort gelandet, sondern auch in der falschen Zeit. Seht mal, was da durch die Tür reinscheint, ist eine strahlende Morgensonne und eben war es noch achtzehnuhrnochwas“, stellte sie mit einem Kopfschütteln fest.
     
    *
    Der Trödelladen in der Altstadt füllte sich mit potenziellen Kunden, die sich durch die engen Gänge drängten und die Ware begutachteten. Mehr als ein Dutzend passten auf einmal nicht hinein. Schmelzender Schnee tropfte von dicken Wintermänteln auf den ohnehin nicht sehr sauberen Fußboden. Niemand war an der Kasse. Ein Knirps von vielleicht zwölf Jahren nutzte diesen Moment vermeintlicher Narrenfreiheit, um sich Süßigkeiten vom Kassentisch
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