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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord
Autoren: Jacques Berndorf
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steckst du sehr tief in scheußlichen Sachen. Ich werde dir helfen.«
    »Das wirst du nicht.«
    »Das werde ich«, sagte sie bestimmt. »Ich will dich nicht verlieren.«
    »Es ist sinnlos, mit dir zu diskutieren«, sagte er. Er steckte sich eine Zigarette an und versuchte, in einem Krimi zu lesen. Doch er konnte sich nicht konzentrieren. Er dachte an Binder und daran, wie er ihn mundtot machen konnte. Vielleicht konnte er ihm eine falsche Formel liefern? Vielleicht konnte er die Formel auch stückweise im Abstand von einigen Tagen liefern? Es war alles sehr verworren.
    Selbst an die Dame Karin dachte er nur mit Vorbehalt. Sie war gern im Bett mit ihm, aber mit wem war sie das nicht? Es gab andere Frauen. Horstmann hatte jetzt die Art Freiheit gespürt, die er gewollt hatte. Jetzt umzukehren und in den Schoß dieser tristen Familie zurückzukehren, würde barer Unsinn sein.
    Aber was war mit Maria? Wieso war sie plötzlich so energisch? Was verführte sie zu all diesen unsinnigen Bemerkungen? Er hörte sie ruhig neben sich atmen. Sie schlief tief und fest. Es war merkwürdig, sie schlief so tief und fest, wie ein Mensch schläft, der zum erstenmal in seinem Leben etwas erreicht hat, wovon er lange träumte.
    Horstmann seufzte, hielt das Buch weiter vor die Augen und dachte an Binder. Es war schließlich entscheidend, dass er keinen Fehler machte. Aber wie konnte er keinen Fehler machen, wenn es um einen Mann ging, den er so gut wie gar nicht kannte?
    Es war vier Uhr morgens, als Horstmann aufstand. Er dachte an die Spraydose mit dem tödlichen Gift in seinerAktentasche und an die Gasmaske. Aus irgendeinem Grund hatte er das Zeug eingesteckt, als er den Betrieb verließ. Wahrscheinlich hatte er insgeheim Maria damit imponieren wollen.
    »Was ist?«, fragte Maria.
    »Nichts«, sagte er. »Ich geh’ ein bisschen spazieren.« Er ging ins Badezimmer hinüber und begann, sich zu rasieren. Das, was Binder wusste, war im Grunde wenig. Gewiss, Horstmann hatte sich hunderttausend Mark unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ergattert, aber reichte das aus, um ihn zu erpressen? Er kniff die Lippen zusammen und reckte den Kopf nach hinten. Er hatte Zeit seines Lebens Schwierigkeiten gehabt, sein Kinn sauber zu rasieren.
    Binder, auch das stand fest, konnte durch einige giftige Äußerungen beim Chef erreichen, dass der ihn plötzlich mit anderen Augen sah. Binder konnte auch das Tonband abspielen. Er, Horstmann, würde nicht mehr der gutmütige, hart arbeitende Chemiker sein, der nichts als Formeln im Kopf hatte. Er würde plötzlich als Lügner dastehen. Es würde reichen, Horstmanns Beziehungen zum Chef empfindlich zu stören. Und das durfte nicht sein.
    Horstmann holte die Aktentasche mit den Tötungsutensilien aus dem Keller. Er dachte sehr klar. Es würde nicht allzu schwierig sein, denn Binder bedeutete ihm nichts. Er war nur ein Hindernis auf dem Weg in eine persönliche Freiheit, und Hindernisse wollte er ja beseitigen. Binder erschien ihm plötzlich wie einer jener amerikanischen Kiefernfresser. Man musste sie vernichten. Er wird dafür bezahlen, dass er versucht hat, mich in die Zange zu nehmen.
    Horstmann fuhr in die Fabrik, er hatte genau überlegt, was er wollte. Und er wusste genau, wie er es zu tun hatte. Es war einfach. Er parkte nicht am Haupttor, sondern ließ denWagen drei Straßenzüge weiter in einem Hinterhof stehen. Dann ging er zum Bahnanschluss der Fabrik. Dort gab es ein kleines Tor, das immer geöffnet war, um den Eisenbahnern die Möglichkeit zu lassen, ihre Waggons zu jeder Zeit an die Verladerampe zu dirigieren. Das Tor konnte unbesorgt offengelassen werden, denn zwischen dieser Anlage und dem Fabrikationstrakt waren sechs Stahltüren eingebaut, die alle fest verschlossen waren. Zu einer besaß Horstmann den Schlüssel. Einen solchen Schlüssel hatte auch Ocker, einen solchen Schlüssel hatte auch Binder. Es waren vielleicht etwa zehn bis fünfzehn Leute – die wichtigsten nur – die einen solchen Schlüssel hatten.
    Die Frage war: Würde Binder diesen Seiteneingang benutzen? War das eigentlich wichtig? Horstmann entschied, dass es nicht wichtig war. Aber es würde immerhin erheblich besser sein, wenn Binder durch das Hauptportal am Nachtwächter vorbeiging. Denn der wusste nicht, dass Horstmann im Haus war. Für den Nachtwächter war Binder allein im Haus.
    Horstmann schaltete kein Licht ein. Das war auch nicht nötig, denn der Morgen kam herauf wie ein verschlafener Pennbruder. Horstmann nahm
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