Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
Büro gehen und das Licht einschalten. Der Pförtner musste sehen, dass er in seinem Büro angekommen war. Dann würde er sein Zimmer wieder verlassen und den geraden Weg durch den Verbindungstrakt zu den Labors nehmen. Dabei hinterließ er Mikrospuren, aber die würde man nicht entdecken. Man würde nicht danach suchen.
    Horstmann stellte sich hinter die Tür.
    Zum erstenmal gebrauchte er in seinen Gedanken das Substantiv »Mord«. Diese klare Bezeichnung hatte er bisher vermieden. Nun verdrängte er sie nicht mehr.
    Er zählte die Sekunden.
    »Verdammt«, hörte er Binder sagen, »warum ist es hier so dunkel?« Die Tür wurde aufgestoßen. Binder wollte das Licht anknipsen, aber Horstmann mit der grotesk unheimlichen Gasmaske war schon vor ihm und drückte auf den Knopf der Spraydose. Er sprühte in den weit offenen Mund Binders.
    Binder gurgelte. Das dauerte nur etwa fünf Sekunden, dann klappten seine Arme nach oben, sein Gesicht verzog sich, alles an diesem Gesicht wurde faltig und blass. Binder begann zu fallen.
    »Aber nicht doch«, sagte Horstmann und ließ den Körper Binders über seine rechte Schulter kippen. Er wunderte sich,wie schwer ein so relativ kleiner Mann sein konnte. Noch nie war ihm der Weg hinüber in Binders Büro so lang vorgekommen.
    Er stellte den Toten aufrecht hin und ließ ihn dann wie einen geplatzten Ballon in sich zusammensinken. Nichts sollte so aussehen, als habe Binder vor seinem überraschenden Herztod noch etwas unternehmen können. Er lag in der Mitte des Raumes. Ziemlich genau in der Mitte. Horstmann überlegte. Wie war Binder dahin gekommen, wenn es ein Herzschlag war? Und es war ja ein Herzschlag. Horstmann nahm Binders Stuhl vor dem Schreibtisch und kippte ihn um. Er legte ihn nicht um, er kippte ihn um. Das Holz musste ein wenig über den Boden schliddern. Das konnte wichtig sein.
    Horstmann sah sich um, und er ließ sich Zeit dabei. Wo hat Binder das Geld? fragte er sich. Zweihundert Tausendmarkscheine sind kein Pappenstiel. Was hättest du an Binders Stelle gemacht? Was trug Binder, als er aus dem Wagen stieg? Einen Mantel. Wo war der Mantel?
    Er sah den Mantel an einem Kleiderhaken hängen. Das Geld war darin. Binder hatte es in vier Taschen untergebracht. Es war nicht so umfangreich, wie Horstmann geglaubt hatte. Zweihundert Tausendmarkscheine waren eigentlich ein dürftiges Paket. Wenn man sie aufeinander legte, waren sie exakt so dick wie ein Buch von zweihundert Seiten.
    Er nahm das Geld und ging zurück in sein Labor. Das Licht ließ Horstmann brennen. Es war gefährlich, das Licht zu löschen. Der Nachtwächter konnte beobachten, wie es gelöscht wurde, und möglicherweise würde er nachsehen kommen, warum Binder nicht wieder auf dem Parkplatz auftauchte.
    Horstmann dachte: Es ist gut, dass ich alles vorher geplant habe. Ein Plan ist immer gut. Wenn ich nicht geplant hätte, stünde ich jetzt hier mit einem Toten auf dem Hals.
    Er nahm aus seiner Aktentasche ein paar Schuhe, einen Anzug, ein Hemd und neue Unterwäsche. Er hatte nicht einmal die Strümpfe vergessen. Als er nackt auf den kalten Steinfliesen stand, lachte er. Nach den Vorstellungen der Polizei müsste ich jetzt die Sachen, in denen ich ihn getötet habe, vernichten. Aber den Gefallen werde ich der Polizei nicht tun. Er hängte die alten Dinge sorgfältig in seinen Kleiderschrank. Dann sprühte er einige Chemikalien darauf. Er tat das ganz wahllos. Nur die Unterwäsche, die Schuhe und den Laborkittel steckte er in seine Aktentasche. Dann zog er die neuen Sachen an und zupfte sich zuletzt die Gummihandschuhe von den Händen. Er warf sie in den Sterilisator, den er abstellte. In ein paar Minuten würden die Handschuhe keimfrei sein.
    Die Geldscheine steckte er in seine Brieftasche. Er würde später Zeit haben, darüber nachzudenken, was damit geschehen sollte.
    Er ging denselben Weg wieder zurück, wobei er einen kleinen Umweg machte. Er warf die Schuhe, an denen die Polizei mit Sicherheit feststellen konnte, dass er in Binders Zimmer gewesen war, in die Elektroöfen. Und auch die Unterwäsche und den Laborkittel warf er hinein. Die Unterwäsche deshalb, weil bei einer eventuellen Untersuchung ein merkwürdiges Licht auf die Tatsache fallen konnte, dass er gebrauchte Unterwäsche in seinem Kleiderschrank im Labor aufbewahrte. Die Elektroöfen brannten ständig bei einer Temperatur von ungefähr zweitausend Grad. In zwei Stunden würde kein Chemiker der Welt mehr nachweisen können,dass er ein paar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher