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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord
Autoren: Jacques Berndorf
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Schuhe und Unterwäsche dort hineingeworfen hatte.
    Es war unglaublich leicht gewesen.
    Als er über die Schienen des Bundesbahnanschlusses ging, fiel ihm etwas ein, an das er bisher nicht gedacht hatte. Führte Binder vielleicht ein Tagebuch? Wohl kaum. Aber hatte er das Telefongespräch mit ihm – Horstmann – auf ein Tonband aufgenommen? Und wo war das erste Tonband, das Binder besaß?
    Betroffen blieb Horstmann stehen. Dann drehte er sich um und ging schnell zurück. Er fuhr mit dem Aufzug im Verwaltungsgebäude hoch und lief in Binders Arbeitszimmer. Er fand das Tonband in einem kleinen Recorder. Er spielte einige Sekunden ab. Er hörte sich selbst sagen: »Möglich. Durchaus möglich. Wahrscheinlich könnte man sogar mehr verlangen.«
    Binder antwortete: »Vielleicht überlegen Sie sich die Sache doch einmal.«
    Auch das Tonband warf er in einen der Öfen.
    Um 6.30 Uhr war er wieder zu Hause. Er setzte sich in den Keller, und er war wie benommen. Es war kein unangenehmes Gefühl. Er dachte: Binder hätte nicht versuchen sollen, es mit mir aufzunehmen.
    »Hockst du hier etwa die ganze Zeit?« Maria kam die Kellertreppe hinunter. Sie gab sich selbst die Antwort. »Ach nein, ich habe ja den Wagen gehört.«
    »Ich bin ein wenig spazieren gefahren«, sagte Horstmann gleichmütig. »Ich wäre dir dankbar für einen Kaffee und zwei weichgekochte Eier. Heute bleibe ich zu Hause, weil ich das Gutachten über die Kiefernfresser ausarbeiten muss.«
    »Fein«, sagte Maria. Es passte ziemlich gut in ihr Konzept. Sie würde ihn also für sich allein haben.
    Gegen neun Uhr rief Horstmann im Betrieb an. Er ließ sich entschuldigen. Gegen zehn Uhr rief Ocker an. »Na, du Faulenzer?«
    »Faulenzer ist gut. Ich schreibe das Gutachten über die Kiefernfresser.«
    »Ich weiß«, sagte Ocker beruhigend. »Du kannst niemals faulenzen. Habt ihr Lust, heute Abend Canasta zu spielen?«
    »Eine gute Idee. Ruf mich an, wenn du zu Hause bist.«
    »In Ordnung. Übrigens, hast du schon gehört? Wir haben einen schmerzlichen Verlust zu beklagen. Binder ist tot.«
    »Wer ist Binder?«
    »Du Trottel«, sagte Ocker, »Binder, unser Finanzchef.«
    »Ach ja«, sagte Horstmann, scheinbar uninteressiert. »Hat er zu viel gesoffen?«
    »Keine Ahnung. Er ist heute ziemlich früh ins Büro gekommen. Und da hat es ihn erwischt. Glatt und schmerzlos. Das Herz, sagt der Arzt.«
    »Requiescat in pace!«, sagte Horstmann. »Ruf mich an wegen heute Abend.«
    »Mach ich.«
    Horstmann dachte einen Augenblick daran, Karin anzurufen. Aber es würde besser sein, einfach in ihr Lokal zu fahren. Irgendwann in den nächsten Tagen. Er ging zurück in den Keller und arbeitete konzentriert, bis Maria zum Mittagessen rief. Danach setzte er sich auf die Terrasse und fragte sich, wie es möglich sei, so leicht zu töten, ohne Gewissensbisse zu empfinden. Er empfand einfach keine. Und er erkannte offenbar auch nicht, dass er sich schon längst in einer Sackgasse befand, aus der es früher oder später kein Entrinnen mehr geben würde. Er hatte aufgehört, logisch zu denken.
    Sabine kam heraus. »Mama ist so verändert«, sagte sie. »So fröhlich. Sie sagt, du hättest Sorgen, und gleichzeitig ist sie fröhlich.«
    »Kenn’ sich einer bei den Weibern aus.«
    »Hast du etwas dagegen, wenn Jo und ich uns verloben?«, fragte Sabine beiläufig.
    »Ist das nicht ein bisschen früh?« Es war angenehm auf der Terrasse.
    »Vielleicht«, räumte sie ein.
    »Überlegt es euch«, sagte er. »Und dann möchte ich den Herrn kennen lernen.«
    »Hier?«
    »Hier«, sagte Horstmann.
    Sie lief aus dem Haus, mächtig aufgeregt. Er hörte sie mit ihrer Mutter reden und lachen.
    »Maria«, rief er.
    Sie kam heraus und setzte sich so, dass ihr die Sonne nicht ins Gesicht schien. »Was ist?«
    »Ich möchte mit dir sprechen. Am besten gehen wir ins Labor.«
    »Wie gut, das wollte ich auch«, sagte sie und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. »Ich habe eben mit Ockers Frau telefoniert. Binder ist tot.«
    »Ja, ich weiß.« Er erhob sich und ging an ihr vorbei zur Kellertür, »Ocker hat es mir heute früh schon erzählt.«
    Sie folgte ihm. »Er starb heute morgen an einem Herzanfall im Büro. Irgendwann um fünf. Ich kann ja verstehen, dass ihr bei bestimmten Versuchsreihen nicht unterbrechen könnt und die ganze Nacht im Betrieb bleibt. Aber dieser Binder war doch der Finanzchef, nicht wahr?«
    »Ja.« Er setzte sich und schob ihr einen Stuhl hin. »Ich möchte mit dir über die Zukunft
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