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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift
Autoren: Pierre Magnan
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aufmerksam zu: Im Jahre 1853 gab die Kolonie am Kap der Guten Hoffnung, ein britisches Dominion (das Doktor Pardigon mit Adamastor, dem Furcht erregenden Riesen, verwechselte, der im Sturm übers Meer fährt), zwei dreieckige Briefmarken heraus, die ein Wasserzeichen in Form eines Schiffsankers aufwiesen, eine blaue four pence- und eine rote one penny- Marke. Sie wurden in England gedruckt. Haben Sie alles mitgekriegt?«
    »In allen Einzelheiten«, versicherte Chabrand.
    »Sehen Sie, hier schon schürzt sich der Knoten in dem Drama, in dem die vier Erbinnen der Familie Melliflore und dazu Emile Pencenat, Monsieur Fondère und schließlich der arme Teufel, auf den da draußen in den clues von Barles der Regen fällt, eine so wichtige Rolle spielen sollten. Hören Sie gut zu! Es sollte Sie mit Bewunderung erfüllen und Ihrer Erbauung dienen, genau zu verfolgen, wie das Schicksal solche Verwicklungen frühzeitig einzufädeln weiß!
    Im Jahre 1861 ist nun eine Postkutsche mit einer größeren Sendung dieser Briefmarken unterwegs zum Hafen. Sie sollen auf der Fregatte Merry Stones (der Präzision meiner Erkundigungen sollten Sie Ihre Bewunderung nicht versagen) eingeschifft werden. Zwischen Battersea und Southhampton bricht an der Kutsche eine Achse. Bis der Schaden repariert ist oder die Briefmarken auf ein anderes Fahrzeug umgeladen werden, hat das Segelschiff längst den Anker gelichtet und die Marken bleiben auf der Reede zurück. Hören Sie mir überhaupt zu?«
    »Es bleibt mir ja gar nichts anderes übrig«, seufzte Chabrand.
    »So weit, so gut! In der Kapkolonie herrscht nun also Mangel an Briefmarken. Was tut die Regierung? Sie beschließt, an Ort und Stelle welche drucken zu lassen. Aber erstens verfügt man nicht über das gleiche Material wie das Mutterland, sondern nur über ein Leinenpapier ohne Wasserzeichen, und zweitens bringt man die Farben durcheinander. Die one penny, die eigentlich rot sein müsste, wird blau, und die four pence, die ursprünglich blau war, wird rot. Dazu kommt noch, dass beide Serien sehr schnell wieder aus dem Verkehr gezogen und die Restbestände vernichtet wurden. Gleich nachdem man den Irrtum bemerkt hatte und die richtigen Marken aus England nachgeliefert worden waren.«
    Laviolette machte eine Kunstpause und fuhr dann fort: »So erklärt sich, warum diese unauffälligen dreieckigen Vignetten, die auf diesem Brief kleben, zwei blaue one penny und drei rote four pence, heute mit dreihunderttausend Francs pro Stück gehandelt werden!«
    »Sie machen wohl Witze!«
    Laviolette schüttelte den Kopf.
    »Und dabei sind das nur die im Katalog angegebenen Preise. Wenn Sie auf einen Liebhaber stoßen, der genau Bescheid weiß und die Marken unbedingt haben möchte, können Sie noch mehr dabei herausschlagen, denn sie sind in einem hervorragenden Zustand. Denken Sie nur daran, dass bei der Veräußerung des Besitzes von Lord Curzon …«
    »Das ist doch der reine Hohn!«, unterbrach Chabrand.
    »Den reinen Hohn sehe ich eher darin, dass dieser Melliflore aus Barles ausgerechnet in jenem Jahr und in den in Fra ge kommenden Monaten an genau diesen Ort ausgewandert war, wo er auf weiß Gott was für ein Schiff wartete, mit dem er zurückkehren wollte, und sich damit die Zeit vertrieb, Briefe voller Verwünschungen an seinen Bruder zu schreiben. Wie viele davon mag der Bruder weggeworfen oder verbrannt haben? Wie viele davon mögen verloren gegangen sein, zu einer Zeit, als die Post noch in den Kinderschuhen steckte? Wir werden wohl nie erfahren, auf Grund welchen Wunders dieser hier allen Unwägbarkeiten zum Trotz den Weg bis zu dem Bauernhof gefunden hat. Überlegen Sie mal: zwölftausend Kilometer!«
    Mit einer theatralischen Geste legte er den Kalender von 1912 auf den Tisch, den Monsieur Régulus in der Villa des Cèdres entdeckt hatte, dieses Mal richtig herum.
    »Schauen Sie nur genau hin! Hier sind die vergrößerten Faksimiles der beiden Briefmarken, die eine rot, die andere blau. Wenn Gaétan Melliflore nicht diesen Kalender zur Hand gehabt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen, ihren Wert abzuschätzen. Darauf bezog sich seine Bemerkung ›Es ist unglaublich, was für Dummheiten man machen kann, wenn man keine Ahnung hat‹. Und sehen Sie sich noch die Worte an, die er an den Rand geschrieben hat, ohne das Ausrufezeichen zu vergessen: ›Genau das ist es!‹«
    Er atmete tief ein.
    »Fünf Exemplare der beiden seltensten Briefmarken der Welt! Können Sie sich nicht vorstellen,
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