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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift
Autoren: Pierre Magnan
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die mich auf den richtigen Weg brachte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, worin dieser Schatz wohl bestehen könnte, und in dieser Hinsicht darf ich davon sprechen, dass das Schicksal mir persönlich etwas zuspielen wollte. Hätte die Erzählung des Doktor Pardigon einen anderen Zuhörer gefunden als mich, so wäre sie ohne irgendwelche Folgen geblieben. Aus einem völlig anderen Grund wäre außer mir auch niemand imstande gewesen, sich auszudenken, wo der alte Geizhals seinen Fund am besten hätte verstecken können.
    Man denke nur daran, dass die beiden Töchter, wenn man Doktor Pardigon Glauben schenken darf, nie darauf gekommen sind. Man denke nur daran (und dabei wird man gleichzeitig verstehen, warum es gerade mir leichter fallen musste, das Problem einzukreisen), dass selbst der edle Spender (der Onkel, der durch seine Söhne den Karren voller Plunder nach Digne bringen ließ) sowie eben diese Söhne nie auf die richtige Idee gekommen sind. Das gilt auch für die späteren Erben und schließlich für die Erbinnen, die nicht nur geldgierig, sondern dazu noch äußerst wachsam waren und stets darauf bedacht, zu verhindern, dass eine von ihnen auch nur einen Sou mehr als die andere bekam. Wie konnte also dieser Schatz der Aufmerksamkeit aller Beteiligten entgehen, wenn nicht auf Grund seiner Natur selbst, in der niemand einen Wert erkennen konnte? Der einzige präzise Hinweis bestand in dem Satz, den Gaétan Melliflore gegenüber Doktor Pardigon geäußert hatte: › Es ist unglaublich, was für Dummheiten man machen kann, wenn man keine Ahnung hat! ‹
    Und in einer Nacht, einer stürmischen Nacht, geschah es dann: Ich lehnte mich gerade aus dem Fenster, um den klappernden Fensterladen in der Küche zu sichern, der Wind schlug mir ruppig ins Gesicht, da hatte ich eine plötzliche Eingebung, die nicht das Ergebnis irgendeiner Form des Nachdenkens war. Der Onkel (das heißt mein Ur-Urgroßvater) hatte die Verwünschungen an seinen Bruder von einem Ort abgeschickt, den Doktor Pardigon Adamastor nannte … «
    »Adamastor!«, rief Chabrand aus, »das ist ja das Wort, das Sie ausgesprochen haben, als Sie sich vorhin über den Toten beugten.«
    »Richtig. Auch mir gegenüber hat Pardigon für den Ort, an dem sich der Ausgestoßene 1861 das ganze Jahr in der Fremde aufgehalten hat, eben dieses Wort gebraucht: Adamastor! Wahrscheinlich funktionierten einige Schaltungen in seinem Gehirn doch nicht mehr ganz einwandfrei. So konnte er ja auch nie genau angeben, was für ein Instrument es war, das Gaétan Melliflore als Ausrufer benutzte, um die Leute zusammenzurufen und auf seine Mitteilungen aufmerksam zu machen. In dem Fall, um den es hier geht, hat er eine präzise geographische Bezeichnung mit einer verschwommenen literarischen Reminiszenz verwechselt. Denn Adamastor gibt es nirgendwo auf dieser Welt. Adamastor ist … Aber das sage ich Ihnen später.«
    »Der Teufel soll Sie holen«, brummte Chabrand.
    Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, las Laviolette weiter vor: »Ich war ziemlich sicher, dass der von Gaétan Melliflore entdeckte Schatz so wenig Platz beanspruchte, dass er ihn hätte ständig bei sich tragen können. Aber da er ihn nun einmal nicht in die Hände seiner rechtmäßigen Erbinnen (oder von irgendjemand sonst) fallen lassen wollte, war zu überlegen, an welches Versteck er hätte denken können. In seinen Kleidern hätte man den Schatz nach seinem Tod zwangsläufig entdeckt.
    Die Idee mit den Trommeln war mir einerseits von jenem subjektiven Phänomen eingegeben worden, das man Intuition nennt, andererseits war sie die Frucht meines strengen logischen Denkens. Beide Begabungen hatte ich in langen Jahren bis zur Vollendung entwickelt, da ich genötigt war, die Verstecke zu entdecken, in denen gewitzte Schüler unerwünschte oder schlechterdings verbotene Gegenstände vor mir verbargen. Auf diesem Gebiet war ich kaum zu übertreffen.
    Unter dem Vorwand, ich sei ein Sammler von dergleichen Gegenständen, schrieb ich meinen Cousinen (es steht mir durchaus zu, sie so zu nennen) und bat sie, mir die Trommeln zu verkaufen. Ich habe nie eine Antwort erhalten. Ich glaubte nun zu wissen, von welcher Art der Schatz war, und gerade das begann mich verrückt zu machen.
    Ich fing an, mich in den gegenüber Eindringlingen schlecht geschützten Speichern der Lederwarenhandlung Champourcieux und der Villa des Cèdres herumzutreiben. (Das war nicht schwer, denn einige Türen standen immer offen.) Die Trommeln
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