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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift
Autoren: Pierre Magnan
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Vorbild des Motivs zu Gesicht, das auf dem Kalender abgebildet war, und er erkannte es sofort wieder. Und hier ist der Kalender!«
    Er streckte ihn theatralisch dem Richter entgegen.
    »Sie halten ihn falsch herum«, sagte Chabrand vorwurfsvoll.
    »Ich möchte mir wenigstens noch ein bisschen Munition aufsparen, für den Fall, dass die Trommel leer sein sollte.«
    Er stach mit der Messerklinge in die Eselshaut der Trommel. Ein Klagelaut ertönte. Mit großer Anstrengung durchtrennte er das weiße Leder, immer am Rand entlang, so wie man eine Konservendose öffnet.
    »Mit einem anderen Messer hätte ich das nie und nimmer hingekriegt«, sagte er voller Stolz auf sein Glandières.
    Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und klappte erst einmal das Messer zu. Chabrand hatte sich von seinem Stuhl erhoben und starrte auf den kümmerlichen Lederfetzen, der ihn noch von der Wahrheit trennte. Die Köpfe der beiden Männer berührten sich fast über dem Instrument. Sachte zog Laviolette den Lederfetzen hoch. Die Rückseite sah blass und frisch aus, da sie nie mit der Umgebung in Berührung gekommen war.
    Der Hohlraum war leer. Nur ein kleiner Lufthauch entströmte der Trommel, und der Geruch vergangener Zeiten verteilte sich im Raum.
    Die beiden Männer sanken verblüfft und enttäuscht auf ihre Stühle zurück.
    »Sie haben eine seltsame Art, Ihre Vorführungen effektvoll abzuschließen«, sagte der Richter streng.
    Laviolette warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Er nahm die aufgeschnittene Trommel wieder in die Arme, wie ein schmollendes Kind, dem man lieblos ein Spielzeug zurückgibt, das es einem hatte schenken wollen. Er berührte sie fast mit seinem Gesicht. Er befummelte sie von allen Seiten, hielt sie ins Licht, beschnüffelte sie, musterte alle Nähte, alle Verbindungsstücke und die Schnarrsaiten, die sie in Form hielten und für die richtige Spannung sorgten.
    Voller Mitleid verfolgte der Richter alle diese Bemühungen.
    »Ich stelle fest«, sagte Laviolette schüchtern, »dass der Ring, der das Resonanzfell hält, nicht aus einem Stück ist, wie der des Schlagfells. Da muss jemand daran rumgebastelt haben. Es könnte immerhin sein, dass …«
    Er schlug mit dem Zeigefinger an verschiedenen Stellen auf die untere, noch unbeschädigte Eselshaut, die nur ein klägliches Geräusch von sich gab, und hielt das Ohr an sie. Er sah aus wie ein tauber Musiker auf der Jagd nach den von ihm hervorgebrachten Tönen. Schließlich stellte er die Trommel seufzend auf den Tisch, dieses Mal mit der unteren Seite nach oben. Er nahm sein Messer und klappte es auf. Verstohlen beäugte er Chabrand.
    »Es könnte immerhin sein, dass …«
    Dieses Mal stach er die Messerspitze mit äußerster Vorsicht in das Leder, um das Fell nur anzuritzen. Als er die erste Schicht durchstochen hatte, hielt er den Messerstiel parallel zum Trommelrand, um nur nicht das gesamte Fell zu durchstechen. Sobald der Schnitt groß genug war, begann er die obere Schicht behutsam mit der Hand abzuziehen. Chabrand, der ihm gebannt zusah, bemerkte, dass unter der oberen Schicht eine zweite blasse Haut erschien. Wiederum erhob er sich von seinem Stuhl. Wiederum berührten sich die Köpfe der beiden Männer fast über der Trommel.
    In dem Maß, in dem Laviolette die obere Haut langsam von der unteren, unbeschädigten Haut abzog, kam ein unscheinbarer Gegenstand immer deutlicher zum Vorschein. Es war ein schlichter, bräunlicher Briefumschlag ohne Aufschrift oder sonst irgendein besonderes Merkmal.
    »Er hatte sich also doch nicht getäuscht …«
    Laviolette sprach mit leiser Stimme, als befürchte er, der Tote dort unten in den clues könne ihn hören. Vorsichtig nahm er den flachen Umschlag in die Hand. Ein leichter Umschlag, nicht zugeklebt. Laviolette öffnete ihn. Im Inneren befand sich ein einfaches Blatt Papier. Es hatte die rauchige Farbe der Dinge angenommen, die eine lange Zeitspanne überdauert haben. Es war nicht einfach zusammengelegt, sondern nach einem komplizierten Muster gefaltet worden, mit dem man zu einer Zeit, als zumindest bei den armen Leuten Briefumschläge nicht üblich waren, Briefe im vorschriftsmäßigen Format verfertigen konnte. Ursprünglich musste es an den Rändern versiegelt gewesen sein, aber jemand hatte es damals aufgebrochen, und nun konnte es jeder lesen, dem der Sinn danach stand. Laviolette entfaltete es sorgsam. Die Tinte war fast völlig verblichen. Er hielt das Blatt unter die Lampe. Er überflog es schweigend
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