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Der Mörder aus einer anderen Zeit

Der Mörder aus einer anderen Zeit

Titel: Der Mörder aus einer anderen Zeit
Autoren: Stefan Wolf
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Ist
doch auffällig.«
    »Wahrscheinlich einer deiner
heimlichen Verehrer, der sich wegen mir nicht näher traut.«
    »Flachkopf!«
    Zu einer vorbeifliegenden
Schwalbe meinte Tim: »Da macht man nun ein heißes Kompliment — und Schimpf ist
der Lohn. Aber hast ja Recht, Pfote. Der Typ ist verdächtig Ich seh mal nach.«

3.
Abgezittert
     
    Karl hatte das Schluchzen
gehört. Es schien aus den Mauern zu kommen — aus den Mauern der alten Häuser in
der Flutwellen-Gasse. Dann merkte er: Nein, aus dem Durchgang dort. Jetzt hatte
auch Klößchen was gecheckt, verlangsamte seinen Latschschritt und schob den
Kopf vor.
    Regina hockte noch an der
Mauer, weinte leise und betastete mit beiden Händen ihre »neue Frisur«. Auf dem
Boden vor dem Mädchen lagen die Strähnen der abgeschnittenen Prachtmähne.
    »Regina! Was ist los?« Karl
beugte sich über sie.
    Sie hatte die beiden nicht gehört
und zuckte zusammen, war dann aber sofort beruhigt und erleichtert.
    »Hallo, ihr!« Sie richtete sich
auf, ließ jedoch die Hände am Haar. »Ich... wurde überfallen.«
    »Und so zugerichtet? So
verstümmelt?«, platzte Klößchen los mit seinem nilpferdhaften Einfühlungsvermögen.
»Himmel, du siehst ja aus!«
    »Es ist gar nicht so schlimm«,
sagte Karl in scharfem Ton. »Ich glaube, Regina, eine Kurzhaarfrisur steht dir
toll. Ist auch praktisch bei Hitze. Und trocknet schneller nach dem Waschen.
Eh... muss nur ein bisschen vom Friseur begradigt werden.« Er berührte tröstend
ihre Schulter. »Wer war das?«
    »Ich kenne sie nicht.«
Schluchzen. »Meinst du wirklich, mir steht kurz?«
    »Na, und wie! Sehe ich doch
sofort. Sieht jeder. Nicht wahr, Willi?«
    Der hatte inzwischen begriffen,
wie der hier angebrachte Trost klingen musste, und nickte heftig.
    »Klar! Sieht jeder. Eigentlich,
Regina, bist du mehr ein Kurzhaartyp.«
    »Ich lasse es trotzdem wieder
wachsen.«
    Sie bückte sich, hob eine
besonders dichte Strähne auf und wickelte sie um den linken Zeigefinger.
    Dann sagte sie ruhig: »Es waren
zwei Typen, Kotzbrocken, so Anfang zwanzig. Mit Tarnjacken. Wahrscheinlich
gehören sie zur PEW. Jedenfalls haben sie mich beschimpft wegen des Artikels im
HSB. Und mir zur Strafe die Haare abgeschnitten. Die Typen haben Gewalt
angewendet! Hier haben sie auf mich gelauert.«
    Karl staunte. Seine
Brillengläser beschlugen.
    Klößchen hatte gerade ein etwas
unansehnliches Stück Schoko aus der Tasche gezogen — aufgeweicht und mit Semmelbröseln
behaftet — , wollte es sich reinschieben, ließ es aber fallen vor Schreck.
    »Ich glaub’s nicht«, murmelte
Karl. »Das ist Polit-Terror. Ein Anschlag auf die Pressefreiheit! Das trifft
nicht nur die Schülerzeitung, nicht nur uns, die Mitarbeiter, nein, so was
trifft den Staat! Unsere demokratische Verfassung! Diese Anfänge muss man im
Keim ersticken! Würdest du die beiden wieder erkennen?«
    »Noch in hundert Jahren.«
    »So lange warten wir aber
nicht. Nein! Erst mal müssen das Tim und Gaby erfahren. Wir haben uns am Dom
verabredet. Westseite. Am kleinen Portal.«
    »Das ist ja schon fast bei
meinem Opa.«
    »Gaby will sowieso zu ihm. Ihre
Uhr ist stehen geblieben. Rührt sich nicht mehr, obwohl«, er grinste, »Tim ‘s
erst mit Drohung versucht und sie dann an die Wand geworfen hat. Ohne Erfolg.
Beide Zeiger verweigern den Dienst.«
    »Ich komme mit, ja? Allein gehe
ich jetzt nicht gern. Nein, nicht weil ich glaube, dass die nochmal über mich
herfallen. Aber es ist so ungewohnt ohne meine Haare. Ich fühle mich, als wäre
ich nicht richtig angezogen.«
    »Kann ich nachfühlen«, nickte
Klößchen. »So geht’s mir immer, wenn ich mal zwei, drei Pfund abgenommen habe.«
     
    *
     
    Tim sprintete los, musste aber
rund um die gähnende Kellergrube, was Zeit kostete, dann über Geröll und Schuttberge.
Noch im Rennen dachte er: Wenn der nicht beknackt ist, lässt er mich alt
aussehen und ist längst abgezittert.
    So war ‘s auch.
    Als Tim auf der anderen Seite
der Schutthalde runter sauste, Klein-Lawinen auslöste und Rieselgestein — sah
er gerade noch, wie vorn an der Klausen-Straße jemand um die Ecke verschwand.
    Dort standen Häuser auf beiden
Seiten und die Straße machte eine Biegung, in die Tim von hier aus nicht
einsehen konnte.
    Er ging zu Gaby zurück.
    »Volle Flucht.«
    »Liege ich also richtig mit meinem
Verdacht.«
    »Total. Aber worum geht’s? Im
Moment sind wir in nichts verstrickt. Und in unserem Alter, will sagen: In
unserer Jugend sitzen sich alte
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