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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Autoren: Alexander Röder
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Nüstern schoss Dampf, der sich zu Gewitterwolken formte und schweflig die Fratze des Höllenfürsten umspielte!
    Lewis schrie auf, und ein infernalisches Brüllen antwortete ihm. Satan lachte ihn aus, fuhr sich gar mit der von Pestbeulen übersäten, ellenlangen Zunge über das garstige Antlitz. Grauenhaft! Lewis schwankte zwischen den Bedürfnissen, die Augen erschreckt aufzureißen oder sie vor Angst zusammenzupressen.
    Doch noch ehe er sich entscheiden konnte, drehte die Kuh ihren mächtigen Schädel zur Seite, leckte sich erneut mit schwärzlicher Zunge übers Maul und trottete weiter. Andere folgten ihr.
    Lewis wagte sich näher an die Fensteröffnung und spähte hinaus. Verfluchtes Weimar! Eine Residenzstadt, in der man Kuhherden durch die Gassen trieb. Lewis war schlagartig ernüchtert, und die furchtbaren Gedanken waren zunächst verflogen. Zumindest hatten sie sich in einen der hinteren Winkel seines Geistes zurückgezogen, um dort zu lauern und auf eine neuerliche Gelegenheit zu warten, hervorzuschießen.
    Lewis hustete nervös. Kein Zweifel. Weiter entfernt von Paris könnte er kaum sein. Zumal, wie er erfahren hatte, Herzog Carl August nicht bei Hofe war, sondern sich seit dem vorigen Monat auf dem Feldzug gegen Frankreich befand. Wie strahlend mochte es dann hier in Weimar wohl zugehen? Seit einigen Jahren war es beim englischen Adel beliebt, seine Söhne nach Weimar zu senden, damit sie sich am dortigen Hof den letzten Schliff ihrer gesellschaftlichen Formen erwarben. Aber ohne den Herzog? Lewis schüttelte den Kopf und atmete tief ein. Es war wohl besser so.
    So würde er sich auf seine Studien konzentrieren können. Deutsch lernen. Das Französische war ihm rasch von der Hand gegangen, zweifellos, warum sollte es sich also hier anders verhalten? Zudem war er hier auf höchst edlem literarischen Grund und Boden. Christoph Martin Wieland lebte hier, dessen erste Werke man schon vor dreißig Jahren ins Englische übersetzt hatte. Lewis hatte sie gelesen, den Agathon , den Don Sylvio und natürlich den großen, gewaltigen Oberon . Diese grazile Heiterkeit, dieser gepflegte Witz!
    Lewis hatte sich vorgenommen, selbst in diesem Feld zu reüssieren, ja, nicht allein zu schreiben, sondern auch das Werk deutscher Dichter in seinem englischen Heimatland bekannt zu machen. Natürlich hieß es da, fleißig zu sein und die Sprache zu erfassen, ja zu meistern. Da halfen nur unermüdlichstes Üben und viel Lektüre. In den vergangenen Tagen hatte er ein schmales Bändchen zu lesen begonnen und beendet. Ein Erfolg in seiner Heimat wie auch in Deutschland. Die Leiden des jungen Werthers. Von Goethe, der auch dieses und jenes geschrieben hatte. Möglicherweise boten sich ein Besuch, ein Gespräch an. Aber Wieland lag ihm mehr an Herzen.
    Lewis war hoffnungsvoll. Ein beschauliches Leben im Hause dieses Schulmeisters, ohne weitreichenden gesellschaftlichen Kontakt, das würde die richtige Grundlage sein, die ihn zu raschem Studienerfolg führen würde, und nebenbei konnte er wohl das verwirklichen, was ihm seit dem letzten Jahr in Oxford im Kopf herum …
    Ja, herumspukte wäre wohl das rechte Wort hierfür. Er hatte seit jener Zeit eine Idee im Kopf, eine schauerliche Romanze im Stile des Schlosses von Otranto seines Landsmanns Horace Walpole. Eine Geschichte voller Gespenster und Grüfte. Was bot sich besser an, als diese Mär hier zu schreiben, in Deutschland, dem Land der Geister und der Schauerromane? Hier, wo sich das, was sich bislang nur in seinem Kopf befand, wirklich ereignen konnte.
    Lewis klopfte auf die pralle Reisetasche neben sich, die die Ausbeute eines halben Tages in den Buchhändlerläden Leipzigs enthielt. So gerüstet würden ihm weder das Lernen noch das Schreiben schwerfallen.
    Lewis wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Er merkte, wie seine Gedanken sich beständig im Kreis drehten; die Hitze machte ihm doch einiges zu schaffen. Langsam wünschte er sich, die Reise möge bald ein Ende nehmen. Er wollte gerade den Kopf aus dem Fenster stecken – vorsichtig, denn wer wusste schon, was da draußen auf den Gassen Weimars lauerte –, um den Kutscher zu fragen, als das Gefährt auch schon zu einem Halt kam.
    „Hooo!“, rief der Kutscher den beiden Pferden zu und drehte den hässlichen Kopf, um seinem Fahrgast schallend das Ende der Reise zu verkünden, als er dessen Gesicht sah und sogleich anzüglich den Mund verzog. Dann wies er auf das unauffällige Haus mit den Sprossenfenstern und
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