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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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Ohren. Gudrun Benningdorf war nirgendwo zu sehen. Ich schlich dreimal um die Anlage, bis die Mütter auf mich aufmerksam wurden. Dann gab ich es auf.

XIV
     
     
    Das Telefon blieb stumm. Franka war unglücklich.
    »Geh nach Hause!«, sagte ich. »Mach was Nettes mit deinem Freund und denk nicht an die Arbeit! Ruh dich einfach mal aus!«
    » Jetzt ?«, schrie sie mich an.
    »Ich bin doch da, falls die Benningdorf anruft.«
    »Und was ist, wenn dir etwas zustößt?«
    Sie telefonierte mit Mark-Stefan. Er machte ihr Vorwürfe, dass sie kaum noch zu Hause sei. Sie sagte, dass es um Leben und Tod ginge. Sie könne jetzt unmöglich das Büro verlassen. Er wurde wütend und mutmaßte, dass sie etwas mit mir habe. Sie wurde ebenfalls wütend und beschimpfte ihn als kompletten Spinner.
    Er legte auf.
    Franka saß hinter dem Telefon und schluchzte.
    Es war der richtige Augenblick, um wieder mit dem Trinken anzufangen. Ich ließ ihn verstreichen.
     
    Wir saßen schweigend vor dem Fernseher wie ein alt gewordenes Ehepaar, immer bereit, beim ersten Ton des Telefons aufzuspringen.
    Nach dem zweiten Spielfilm baute ich die Couch im Wohnzimmer zum Bett um. Anschließend wälzte ich mich lange in meinem eigenen, bevor ich einschlafen konnte.
     
    Ein neuer Tag, der letzte vor den Wahlen. Noch einmal hofierten die Parteien den wankelmütigen Souverän, die Wähler. In zwei Tagen würden sie ihn für vier Jahre aufs Altenteil abschieben.
    Endlich kam der lang ersehnte Anruf.
    »Warum sind Sie gestern nicht gekommen?«, fragte Gudrun Benningdorf.
    Ich sagte ihr, dass ich einen Verfolger abschütteln musste.
    »Scheiße.«
    »Ja. Wir müssen äußerst vorsichtig sein.«
    Sie schlug vor, dass wir uns auf dem Wochenmarkt am Dom treffen sollten, das Gewühl der einkaufenden Massen würde uns schützen.
    Vom Fenster aus waren der blaue Passat und Dreitagebart nicht zu sehen. Aber womöglich arbeitete der Kerl nicht allein. Ich ging hinunter und schwang mich aufs Fahrrad. Zwischen dem Kreuzviertel und dem Domplatz gab es genügend Wege, auf denen mir ein Auto nicht folgen konnte. Franka blieb im Büro. Wir hatten vereinbart, dass ich mich jede Viertelstunde melden würde. Falls der Anruf länger als fünf Minuten ausblieb, sollte sie Hauptkommissar Stürzenbecher informieren.
    Unterwegs blickte ich mich häufig um. Ich bemerkte nichts Verdächtiges.
    Auf der kleinen Aabrücke und dem kopfsteingepflasterten Spiegelturm bewegte sich ein Fußgängerstrom, Frauen und Männer mit Einkaufstaschen. Ich schob das Fahrrad den Domhügel hinauf und stellte es vor dem Bischofssitz ab.
    Mein erster Kontrollanruf. Franka nahm nicht ab. Was war schiefgegangen? Ich überlegte, ob ich zurückfahren sollte. Aber dann würde ich Gudrun erneut verpassen. So oder so saß ich in der Klemme.
    Ich quetschte mich durch das Getümmel. Der vereinbarte Ort war die nordöstliche Ecke des Marktes, neben den Kaffeeständen, direkt vor dem Denkmal Kardinal von Galens.
    »Georg!« Imke.
    Ich nahm Sarah hoch und küsste sie. »Was macht ihr denn hier?«
    »Wir fahren manchmal samstags nach Münster. Ich gehe gerne auf den Markt, meistens treffe ich alte Bekannte.« Imke war in Plauderlaune.
    »Tut mir leid, aber ich habe keine Zeit.«
    »Wieder eine Verabredung?«, fragte Imke spitz.
    »Nein, ich bin nicht zu meinem Vergnügen hier.«
    »Das sieht man.«
    »Imke, bitte! Es ist ein wichtiger Job.«
    »Papa, gehst du mit uns Eis essen?«
    »Nein, mein Schatz, heute nicht.« Ich strich Sarah übers Haar. Verdammt, ich musste weiter. Eine alte Frau stieß mir ihren Einkaufswagen in die Hacken.
    »Bis bald!«
    Imkes verkrampfter Gesichtsausdruck – eine Mischung aus Selbstmitleid und Vorwurf.
    Ich erreichte das Denkmal. Keine Spur von Gudrun. Ich rief im Büro an. Keine Franka. Es war zum Verzweifeln.
    Ich wartete. Die Minuten verstrichen. Und dann entdeckte ich den Dreitagebart. Er stand hinter dem Bratfischstand und telefonierte. Der große Kopf mit der niedrigen Stirn nickte heftig, anscheinend bekam er Anweisungen. Im Auto hatte er nur unsympathisch ausgesehen, in voller Größe und aufgeblähter Lederjacke wirkte er brutal.
    Ich ging in Deckung und beobachtete ihn. Er klappte das Handy zusammen und setzte sich in Bewegung. Ohne lange nachzudenken, folgte ich ihm, achtete darauf, dass immer genügend Wochenmarktbesucher zwischen uns waren.
    Dreitagebart hatte es eilig. Am Michaelisplatz verließ er den Wochenmarkt, ging auf dem Bürgersteig in Richtung Fürstenberghaus.
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