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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman
Autoren: Aufbau
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ganzen Tag lang beschuldigte sie mich, sie habe mich in der Nähe ihrer Pension gesehen. Das sei ja logisch, erwiderte ich, unser Lokal befinde sich schließlich nur zwei Straßen entfernt vom Chanchoquín . Ich denke, die Alte war bloß neidisch auf unsere Arche Noah , die mehr Leute an Bord lockte als ihre Pension – alle, die nach Paitanás hereinkamen, mussten zuerst an unserem Laden vorbei. Die Ojerosa war zwar eine Witwe mit viel Geld, dafür aber war sie malträtiert worden von dem italienischen Musiker, mit dem sie verheiratet gewesen war. Die Ärmste sah aus wie eine versteinerte Kuh wegen der Arthritis, die ihr Gesicht beinahe zur Karikatur verunstaltete. Mit deiner Großmutter, du wirst noch erfahren, welche ich meine, war sie von Kindesbeinen an befreundet gewesen, deshalb wussten wir, dass sie pingelig war bis zur Besessenheit. Noch tief in der Nacht trocknete sie Löffel und Teller ab und polierte alles blitzblank.
    López-Cuervo II und seine Agenten verhörten sie mehrmals, ebenso wie mich. Sich die Tränen mit einem Zipfel ihres Taschentuchs abtupfend, beteuerte die Ojerosa, Sofanor und die Inglesa hätten am Tag zuvor gegen sechs Uhr abends seelenruhig die Pension betreten. Sie sagte, Sofanor habe glücklich gewirkt. Vielleicht hatte die Inglesa ihm ja erzählt, dass sie seit ihrem letzten Treffen ein reizendes kleines Geschöpf zur Welt gebracht hatte – oder sie hatte das Geheimnis doch lieber für sich behalten, um die Dinge nicht noch komplizierter zu machen. Das werden wir wohl nie erfahren.
    Sofanor habe davon geredet, dass sie drei oder vier Tage bleiben würden, sie seien frisch verheiratet und wollten später über die Kordilleren ans Meer weiter, um ihre Hochzeitsreise auf dem Ozean zu verbringen. Die Ojerosa war ganz aus dem Häuschen darüber, wie sehr mein Freund sich verändert hatte und dass mit seiner Gefährtin eine so elegante Lady in ihrem Chanchoquín logierte. Deshalb beeilte sie sich, als sie Sofanor später mit einem Rosenstrauß und einem Kasten teuersten Bieres beladen sah, ihre italienische Vase mit Wasser zu füllen. Zwei Tage später musste sie dann von López-Cuervo II erfahren, die beiden seien gefährliche Verbrecher gewesen. Die Alte weinte über ihre kostbare Vase, die nun als Scherbenhaufen vor dem Bett lag. Natürlich war das damals eine raue Zeit, in der das Gute nichts galt und die abartigsten Schamlosigkeiten unser tägliches Brot waren, das will ich gar nicht leugnen. Aber Sofanor mit seinem erstarrten Schnurrbartlächeln hatte nichts gemein mit dem Verbrecher, zu dem die Zeitungen ihn abstempelten.
    Ich hatte keine Ahnung, dass er zu der Inglesa zurückgekehrt war und sie bei all den ausgeraubten Klippern in Iquique ihre Hand im Spiel gehabt hatten. Am Abend des Nationalfeiertags, kurz vor den Festlichkeiten, hatte Sofanor mich im Arche besucht. Ich hatte ihm einen Hocker hingeschoben und eine Flasche Bier vorgesetzt.
    »Was ist mit dir los, Alter? Hat es dir die Sprache verschlagen?«, fragte ich ihn, als er sich schweigsamer alseine Mumie gab. Er leerte die Flasche fast in einem Zug und fragte mich dann, ob ich den Wecker noch hätte.
    »Klar habe ich den noch«, sagte ich. »Die Trinidad hütet ihn wie ihren Augapfel.«
    »Sehr gut!«, rief er und zeigte grinsend seine weißen Zähne.
    »Aber wozu brauchst du denn meinen Wecker, wo du doch eine goldene Uhr da in der Tasche hast«, hakte ich nach. »Wem hast du die geklaut, du alter Gauner?«
    Mein Freund grinste vergnügt und strich sich zufrieden über den Bart.
    »Ich muss früh aufstehen und brauche ein ordentliches Glockengeläut, um wach zu werden.«
    »Warum bittest du nicht die Ojerosa, dich zu wecken?«
    »Ich sehe, es geht dir gut, Samu …«
    Er ließ den Satz in der Schwebe, ohne die geringste Absicht, ihn zu beenden. Ich versuchte, auf die kumpelhafte Tour herauszukriegen, was er vorhatte, aber der Mistkerl ließ mich auflaufen. Er wusste genau, dass dieser Wecker alles war, was mir von der Petronila geblieben war. Schließlich schob er sich das lockige Haar aus der Stirn, blickte sich verstohlen nach allen Seiten um und legte ein paar Scheine auf die Theke. Das Angebot war verlockend, es kostete ihn letztlich nicht viel, mich zu überzeugen, den Wecker wider Willen herauszurücken. Ich wollte ihn noch fragen, in welche Art von Geschäften er gerade verwickelt sei, aber dann hielt ich lieber den Mund. Stattdessen erklärte ich ihm ausführlich, obwohl er es eilig zu habenschien, den
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