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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman
Autoren: Aufbau
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machen.«
    Sofanor schloss das Gitter auf und ließ den Schlüssel stecken. Er schnappte sich seine Sackleinentasche und grinste mich an mit seinen weißen Zähnen.
    »Der hat es bereut, Samu. Ich werde dir noch erzählen, was er mir gesagt hat, bevor er starb.«
    »Du hast ihn umgebracht? Du verdammter Mistkerl, das war meine Aufgabe!«
    »Der Dampfer läuft in zehn Minuten aus!«
    »Ich hätte diesen Satan töten müssen.«
    »Beeil dich und halt die Klappe. Ich habe eine Kugel für dich aufgehoben.«

Paitanás, 1939 – 1948
    Das Esszimmer hatte ein großes Panoramafenster, und Flor saß gerne auf dem Sofa, um Papierfiguren zu basteln und auf die staubige Straße hinauszublicken, die vor urewigen Zeiten einmal eine Landstraße gewesen war und quer durch Paitanás führte, von einem Ende zum anderen, wo sie sich dann in der unendlichen Wüste verlor. Ich hatte gelernt, in der Sprache der Gauner zu reden, wie sie zu denken und zu fühlen, wie ein Herz fühlt, wenn es in die Falle gerät. Niemals hätte ich gedacht, dass Flors Schrulle mit der Bluse uns dazu bringen würde, das Bordell zu kaufen. Ihre dunkle Hautfarbe, die zur ewigen Umarmung einlud, ihre prallen Brüste und ihr feuriger Blick verzauberten mich dermaßen, dass ich sie jeden Abend besuchte. Und was mir an deiner Großmutter besonders gefiel, war, dass, immer wenn sie sich zu mir gesellte, ein frischer Blumenduft in meine Nase stieg. Außerdem ist sie mit mir gekommen, kaum dass ich sie darum bat, und nachdem sie das Haus mit Hunden und Katzen gefüllt hatte, brachte der Gott Alzamora, damals noch blutjung, uns dieses Mädchen ins Haus, so dass wir unverhofft doch noch zu einer Familie wurden. Und wer wäre besser geeignet als eine Tierliebhaberin, um sich eines Waisenmädchens anzunehmen?
    Die Nachbarn versicherten, ein Matrose der in Coquimbo überfallenen Natal Star sei es gewesen, der die Tita in einem Weidenkorb nach Paitanás gebracht und die Beerdigung für Sofanor und die Inglesa bezahlt habe. Doch der Priester wollte nie über den Umschlag mit dem Geld reden, den er unter dem Kissen der improvisierten Wiege gefunden hatte. Flor allerdings fühlte sich gekränkt durch das Geschenk des Priesters – sie war unfruchtbar, da mochte ich sie mit noch so viel Samen versorgen. Und so weigerte sie sich zunächst, sich um einen fremden Säugling zu kümmern. Doch dann geschah das Wunder. Die Tita blickte ihr in die Augen und schenkte ihr ein wundervolles zahnloses Lächeln, woraufhin deiner Großmutter die Tränen kamen, Benito. Unverzüglich meldeten wir das Mädchen auf unseren Familiennamen an.
    Unablässig strömten die Leute herbei, um das kleine Püppchen zu bestaunen. Unsere hübsche Tita verzauberte alle. Ihre Äuglein blitzten neugierig, so gesehen besaß sie etwas von der Inglesa; auch ihr Temperament zeugte von jenem Stachel der Ungeduld, wie meine Flor zu sagen pflegte. Alle meinten, wir sollten die Tita taufen lassen, um sie vor dem bösen Geist ihrer leiblichen Eltern zu schützen. Erst als das Mädchen verständig genug war, erwähnte niemand mehr die beiden, um das Geheimnis ihrer Herkunft zu wahren.
    Von Sofanor war nie so viel die Rede gewesen wie von der Inglesa. Über sie erzählte man sich, ein alter dänischer Taucher, der sie aus England mitbrachte, habe sie bereitsmit dreizehn Jahren zur Frau gemacht und sie anderen Landsleuten, wenn er sich mit ihnen betrank, schon mal für eine Nacht ausgeliehen. Sie ging mit jedem mit, so hieß es, der ihr einen guten Preis bot. Und schon bald verließ sie den alten Dänen, der sich als ihr Gebieter aufgespielt hatte, und verliebte sich in Ronal, einen Seemann, der dem Alten immer bei seinen Tauchgängen zur Seite stand. Aber auch dem wurde sie schließlich wieder untreu. Die Inglesa suchte Zuflucht auf den Klippern, die Iquique anliefen, wo sie immer sehr freundlich aufgenommen wurde. Wer sie mit dem Schrubber den Kabinenboden putzen sah, hätte ihr niemals eine Zukunft als Einbrecherin und Diebin vorhergesagt, denn jede ihrer Bewegungen strahlte Unschuld aus. Später starb der dänische Taucher, er ertrank unter merkwürdigen Umständen. Wie es scheint, war er mit Arbeiten am Meeresboden beschäftigt, als jemand ihm den Sauerstoffhahn zudrehte.
    Das Auftauchen der kleinen Tita in unserem Städtchen löste bei Alzamora einen Anfall von geheuchelter Christlichkeit aus. Der Pfaffe war ein Profi, er hortete sein Geld in einer verschließbaren Truhe, deren Schlüssel er wie ein Kruzifix an einer
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