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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot
Autoren: Thomas Raab
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zehnten Besprechungsattentat einer Sprachbox noch immer nicht kapieren, dass der Angerufene und nicht Erreichbare für den Anrufer gar nicht mehr erreichbar sein will, und es gibt jene Idioten, die wen erreichen wollen, ohne Mitsenden der eigenen Nummer, nicht auf die Sprachbox sprechen und sich wundern, keinen Rückruf zu erhalten.
    Der Metzger zählt mittlerweile zu den Idioten der ersten Kategorie und eröffnet hier wohl eine neue Liga: Denn trotz bereits erhaltenen Geldes nicht auf den mehrfach unerreichbar zu Beliefernden zu pfeifen, ist schon eine besonders herausragende Leistung.
    Es gibt aber durchaus noch Möglichkeiten, dies zu übertreffen: Zum Beispiel durch ein persönliches Zuliefern ohne vorherige gelungene Kontaktaufnahme. Das gebietet dem Metzger einfach die Moral. Und genau die erfährt auf diesem Weg eine Lektion der anderen Art.
    Außerdem blockiert der Spieltisch samt den vier ausladenden barocken Stühlen die Werkstatt, ganz abgesehen von dem schlechten Gewissen, das den Metzger gegenüber Otto Weinstadler, der ja noch gar nichts von seinem Glück ahnt, plagt. Wie gesagt, zuerst muss alles gut über die Bühne gehen, dann erst ist Grund zur Freude, eine der beruflichen Grundsätze des Willibald. Und da gehört auch die Auslieferung des Spieltisches dazu.
    Petar Wollnar hilft mit geänderter Hose beim Einladen, wobei er sich die Bemerkung „Na, ob die Hose dazu gedacht ist!“ einfängt, und er sich zur ausnahmsweise grammatikalisch fehlerlosen Antwort „Die Hose ist nicht dazugedacht, die Hose ist echt!“ hinreißen lässt, für die der Metzger zwecks Behirnung allerdings ein Weilchen braucht.
    Und weil der Wollnar so in Redelaune ist, fragt er gleich:
    „Und, Anzug gut ausgeführt?“
    „Zu gut!“, meint der Metzger, wohl wissend, dass der Wollnar beruhigenderweise im Gegenzug diese Doppelbödigkeit nie überzuckern wird.

    Die Fahrt im Pritschenwagen führt in das neu errichtete Businessviertel inmitten der Stadt. Ja, Businessviertel wurde es getauft, weil sich offenbar durch die Wahl einer deutschen Bezeichnung, wie beispielsweise Geschäftsviertel, die Angst in den Reihen der einheimischen Bonzen breitmacht, die ausländischen Handelspartner könnten dort nicht hinfinden. So erklärt sich das zumindest der Metzger, denn die Vorstellung, so ein katastrophaler Kulturverlust könnte nur aufgrund des vergänglichen Diktats sprachlicher Mode verursacht worden sein, erscheint ihm zu primitiv.
    Wie so oft trügt er, der Schein!
    Besonders was die Dimension der Gebäude betrifft: Keineswegs lässt sich die Größe der Bauten mit der Größe der Insassen vergleichen. Je weiter oben, desto größer der Kleingeist. Hier war der Metzger noch nie, und irgendwie packt ihn in Bezug auf den bevorstehenden Besuch jetzt schon ein wenig die Neugierde, wie sich denn ein Aufenthalt in luftigen gläsernen Höhen so anfühlt. Schwindlig wird ihm dann aber in Anbetracht eines gänzlich anderen Ausblicks.
    Beim Betreten des Hochhauses begrüßt den Besucher eine weit gezogene Portierloge, wobei sie deutlich an ihrer Gestrecktheit verlieren könnte, wäre sie besetzt. Wird der Pförtner wohl kurz einem menschlichen Bedürfnis gefolgt sein, denkt sich der Metzger, der mit einem barocken Sessel auf den Lift zusteuert.
    „Ich geh mal mit einem symbolischen Sessel vor, klär die Lage, dann bringen wir den Rest!“, waren seine Abschiedsworte zum im Pritschenwagen wartenden Wollnar.
    Fest entschlossen, die Möbel an den Mann zu bringen, und sei es nur durch die bestätigte Übergabe an die Sekretärin, wählt der Metzger das vorletzte Stockwerk. Surrend bewegt sich der Lift, mit einem Sichtfenster nach außen, in luftige Höhen, und der Metzger ist froh, nicht einen dieser komplett aus Glas angefertigten Aufzüge an der Außenseite diverser Hochhäuser oder im Inneren diverser Möbelhäuser benutzen zu müssen.
    Mit einem lauten Signalton öffnet sich die Tür, vor dem Willibald Adrian eröffnet sich eine andere Welt.
    Ein derart eifriges Getümmel, so als würde hier wirklich gearbeitet werden, trägt dazu bei, dass der Restaurator mit seinem barocken Sessel nicht weniger Aufsehen erregt als der an ihm vorbeigehende Japaner, dessen Kleidung die unübersehbare Aufschrift „Sushi-Express“ trägt. Dass man in die oberen Ebenen der Geschäftswelt eingedrungen ist, erkennt man, wenn der Essenszulieferer kein „Pizzabote“ auf dem Rücken stehen hat.
    Auf die Frage „Wo geht’s zum Herrn Präsidenten!“ erhält
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