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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
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hörte man seine helle Stimme. »Dreihundertfünfundzwanzig.«
    »Dreihundertfünfzig«, sagte kalt ein Trägersklave des Croesus.
    Aus der Menge der reichen Kaufleute, die sich zu einer Gruppe zusammendrängten, überbot ein fuchsgesichtiger Mann mit goldenen Ohrringen und Kräuselhaar: »Dreihundertsechzig.«
    Die junge Frau kreuzte die Arme vor der Brust, der Junge schien sich wie schutzsuchend an ihre Schulter zu drängen. Hinter ihnen stand wachsam, die Augen über die Menge schweifen lassend, der Marktverwalter.
    Der Auktionator beendete die kleine Pause, indem er rief: »Dreihundertsechzig sind vom Kaufherrn Nachird geboten. Zum ersten, zum…«
    Der erstaunliche Croesus lüftete auch jetzt sein Geheimnis nicht um einen Fingerbreit. Sein Sklave hob in einer fast verächtlichen Bewegung die Hand und warf ein: »Vierhundert.«
    Dieser Preis war mehr als ein stolzes Angebot. So handelte nur jemand, der unbedingt diesen Sklaven und keinen anderen haben wollte, aus welchem Grund auch immer. Mehrere Bieter wischten sich die Schweißtropfen von den Stirnen und winkten ab. Für sie hatte das Spiel keine Bedeutung mehr.
    »Vierhundertzehn«, sagte Loppo heiser und hustete verärgert, mit einem parfümierten Tüchlein vor seinem Gesicht wedelnd.
    Ein fremder Kapitän erhöhte um zwanzig.
    Der Eunuch fügte zehn hinzu. Croesus setzte den Betrag um weitere zwanzig herauf. Zwei Kaufherren, durch den Handel mit Kupfernägeln für die Hausbootplanken absurd reich geworden, gaben das Rennen auf, als der Beschnittene weitere zwanzig Münzen hinzufügte. Sie hatten sich das Paar teilen wollen. Aber für mehr als vierhundertfünfzig Goldmünzen war nicht einmal diese zweifache Rarität wohlfeil.
    Trotzdem bot man weiter. Fünfhundert… fünfhundertdreißig… sechshundert… und bei siebenhundertfünfzig gab der Eunuch Yahids des Siebzehnten mit vor Aufregung schriller Stimme auf. Der Vorhang seiner Sänfte wurde zurückgeschlagen. Aber noch hoben die Träger seine Sänfte nicht auf. Loppo wartete auf das Ende dieser einmaligen Versteigerung.
    »Croesus hat siebenhundertsechzig geboten. Zum ersten…«, begann der Auktionator. Die wartende Menge barst förmlich vor Aufregung, und selbst die Mienen der Sklaven belebten sich. Sie erkannten undeutlich, dass sie für einen bestimmten Mann wichtig geworden waren.
    »… zum zweiten und zum dritten. Der Zuschlag erfolgt gegen Zahlung barer Münze an Croesus.«
    Schon war einer der selbstbewussten Sklaven mit einem klirrenden Beutel unterwegs. Er erklomm das Podium, zählte die Münzen auf den Tisch des Auktionators und übersah geflissentlich, wie sich der Marktaufseher in vollster Zufriedenheit die Hände rieb.
    Der muskelstarrende Sklave schob die Börse in seinen breiten Doppelgürtel zurück, packte die junge Frau mit eisernem Griff an einem Arm und den Knaben, der sich nicht zu wehren wagte, mit einem ebensolchen Griff. Ruhig bugsierte er sie vom Podium, schob sie auf die Sänfte zu und ließ sie vor der Seitenwand anhalten. Von links und rechts kamen zwei andere Sklaven und schoben die Vorhänge beiseite.
    Die Menge hielt den Atem an – endlich würden sie einen Blick auf den geheimnisvollen Croesus werfen können. Sie sahen nichts anderes als einen zweiten, dünneren Vorhang, der sich erst öffnete, als die Körper der beiden Sklaven hinter dem äußeren Stoff verschwunden waren. Schützend stellten sich die Sklaven, die Hände an den Griffen der flammenförmigen Dolche, vor die Sänfte.
    Die beiden neuen Sklaven erlebten, wie sich der Vorhang teilte. Sie sahen nichts anderes als den Körper eines braungebrannten, wegen der Hitze leicht bekleideten Mannes. Sein Kopf war von einem ebensolchen Tuch verhüllt, wie es Abudirg getragen hatte.
    Eine Stimme, die nach einigem Nachdenken und einigen Herzschlägen der Überraschung beiden Menschen bekannt vorkam, sagte: »Nehmt Platz! Es wird ein wenig eng werden.«
    Wortlos gehorchten sie und kauerten sich dem Fremden gegenüber auf die Polster. Sofort hoben die Sklaven die Sänfte hoch und trugen sie in auffallend schnellem Tempo durch die brodelnde und murmelnde Menge davon. Der Mann sprach leise weiter: »Ich habe es gerade noch geschafft, Kalathee und Samed. Jetzt seid ihr sicher.«
    Er schlug das Tuch vor seinem Gesicht zurück und lächelte. Sie kannten dieses herausfordernd kühle und gewinnende Lächeln. Trotzdem zuckten sie zusammen. Nur Kalathee konnte hervorbringen: »Du, Luxon?«
    Dann fühlte sie, wie ihr Körper schlaff
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