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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
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Zeiten eine Vorbereitung auf die Zeit als Sklave sein. Ich weiß es nicht. Über mich wurde bestimmt. Ich wurde niemals gefragt. Ob es ein einzelner Mächtiger war, der mein Leben führte, oder ob der Zufall diese Sommer und Winter bestimmte, weiß ich selbst heute noch nicht.«
    Während Luxon über seine ersten Eindrücke in Sarphand berichtete, hatten seine Gäste zögernd gegessen und getrunken. Mit Sicherheit hörten die Sklaven des Palasts zum erstenmal die Geschichte ihres Herrn, den sie als Croesus kannten.
    »Du warst ein Sklave?« fragte Kalathee entgeistert.
    »Ich war alles mögliche«, bekannte Luxon. »Nichts ist mir fremd. Mein Leben war an seinem Anfang wirr und bitter, und heute ist es hart und voller Abenteuer. Aber . damals war ich nicht einmal andeutungsweise mein eigener Herr. Zumindest das hat sich inzwischen zum Teil geändert.«
    »Zum Teil. Das trifft zu«, brummte Mythor, der sich langsam aus der Geschichte Luxons löste. Luxon oder Arruf, der Dutzende anderer Namen gehabt hatte – was war noch alles in der Erinnerung dieses erstaunlichen Mannes begraben?
    Steinmann Sadagar betrachtete die dramatischen Berichte nüchterner und ohne besonders tiefe Ergriffenheit. »Warum enthüllst du die Geheimnisse deines Lebens vor uns allen, Luxon?«
    Luxon schenkte ihm einen langen Blick und antwortete: »Weil ich zu erklären versuche, warum ich mich darauf vorbereite, als Sohn des Kometen gegen die Schattenwelt zu kämpfen.«
    »Begreiflich«, murmelte Sadagar. »Wir sind begierig, mehr zu erfahren.«
    »Wenn ich meine Erinnerungen deuten könnte, wenn es einen klaren Sinn ergäbe«, stöhnte Luxon, und wieder fing Mythor an, ihm zu glauben, »wäre ich glücklich. Aber vielleicht könnt ihr mir helfen, wenn ihr alles erfahren habt. Ich werde mich bemühen, nichts anderes als die Wahrheit zu berichten. Aber auch meine Erinnerung ist einer persönlichen Auslegung unterworfen.«
    Mythor sagte sich, dass er diesen Mann sowohl als Konkurrenten als auch in seiner Eigenschaft als Kämpfer, als Betrüger, als Gastgeber falsch eingeschätzt hatte. Wie er ihn allerdings einschätzen sollte, wusste er noch immer nicht.
    Gerade Luxons Vorschlag, die Waffen hinter den massiven Türen der Schatzkammer zu verstecken, machte ihn zusätzlich misstrauisch .
    *
    Vor rund zweimal zehn Sommern war der Sklavenmarkt von Sarphand kleiner und an anderer Stelle. Einen Sklaven zu kaufen, Kalathee, war damals noch ein aufregendes Erlebnis. Der Markt befand sich in einem engen Geviert von Mauern, auf der untersten Terrasse der Stadt, fast schon im freien Gelände seitlich der Straße. Ich fühlte, damals in einem Versteck der mittleren Stadt, wie man mir einen Sack über den Oberkörper stülpte, mitten in der Nacht. Ein Schlag in den Nacken betäubte mich. Ich merkte nur noch, wie man mich in rasender Eile wegschleppte.
    Irgendwann wachte ich wieder auf. Mein Gesicht war von verschorftem Blut überkrustet. Ich lag auf stinkendem Stroh im Dunkeln, aber am Geruch erkannte ich, dass ich an eine gänzlich andere Stelle geschafft worden war. Warum? Von wem? Ich begriff nichts. Nur mein Schädel schmerzte wie rasend. Stunden später näherten sich Schritte. Mit grässlichem Knirschen öffnete sich eine Tür. Licht fiel in mein Gefängnis und zeigte mir, dass ich in einer winzigen Kammer lag, in einem Gewölbe, dessen Wände aus riesigen, von schimmligen Moospolstern bedeckten Quadern bestanden. Eine dünne Kette verband den Sklavenring um meinen Hals mit einem Krampen in der Decke.
    »Hier! Wasser und etwas Essen. Das letzte für lange Zeit, denke ich. Du bist einer der nächsten!« sagte eine widerwärtige Stimme. Ein Kanten Brot und ein Krug mit schartigem Rand wurden mir in die Hände gedrückt. Als die Tür zuschlug, verschwand auch der helle Lichtschimmer aus der Gruft. Trotz meiner Schmerzen aß und trank ich. Einen Zipfel der Gewandfetzen tränkte ich mit dem Wasserrest und versuchte, mein Gesicht abzuwischen.
    Es dauerte abermals Stunden, bis zwei Männer kamen. Sie lösten das Schloss an meinem Halsring und zerrten mich einige Treppen hinauf. Der modrige Geruch und die stinkende Feuchtigkeit blieben hinter uns zurück. Was hatte es zu bedeuten – ich sei einer der nächsten?
    Ich erfuhr es, als man mich in die blendende Grelle des Sonnenlichts hinausstieß. Ich stand zitternd auf einem Podest aus ausgetretenen Steinen. Dutzende gieriger Augenpaare starrten mich an. Im Halbkreis saßen Frauen und Männer vor mir auf den
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