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Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde
Autoren: Stefan Wolf
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private Ermittlungen. Damit verdiente er sagenhaft wenig.
Den Wagen hatte er gebraucht gekauft. Seine Behausung in der Oberklink-Straße
war zuvor von einem Typ bewohnt worden, der angeblich kränkelte, in Wahrheit
arbeitsscheu war und dem Sozialamt auf der Tasche lag. An einer
Alkoholvergiftung war der Mann in dieser Wohnung gestorben, unbemerkt von den
Nachbarn, und Bunzkuhl zog ein.
    Über seine Vergangenheit sprach
er nicht. Denn einem Söldner, dessen Handwerk das Töten ist, bringt man im
Allgemeinen wenig Sympathie entgegen. Bunzkuhl hatte in Afrika und Südostasien
gekämpft und war Mitglied der wildesten Horden gewesen, befehligt von
größenwahnsinnigen Revoluzzern, Putschisten und Diktatoren. Um eine gerechte
Sache ging es nie, aber immer um Macht, Unterwerfung und Geld. Nach drei
schweren Verwundungen hatte Bunzkuhl das Dasein als Legionär, als Landsknecht,
satt — und kehrte zurück in die Zivilisation. Hier war er ungelernt, hatte
keinen Rentenanspruch und war dafür sowieso noch zu jung.
    Sein Ermittlungsbüro lief
nicht. Aber deshalb würde einer wie er nicht am Hungertuch darben oder gar auf
Luxus verzichten.
    Im Gegenteil! Er hatte sich was
einfallen lassen. Und das brutale Geschäft mit der Schutzgeld-Erpressung lief
gut an. Trotz der jetzigen Panne mit den verdammten Kids, die vermutlich von
der Corsa-Tochter einen Tipp gekriegt und sich das Geld aus dem toten
Briefkasten geschnappt hatten. Aber das war ja nun behoben und seinen Opfern,
den italienischen Gastronomen, würde er einen anderen Ort für die
Geldablieferung nennen. Ihm, Bunzkuhl, war es wichtig, dass er nur so wenig wie
möglich in Erscheinung trat — nur am Telefon als angeblicher Sprecher der
Schutzgeld-Mafia. Denn bislang war es ihm gelungen, eine vielköpfige
Organisation vorzutäuschen. Dass nur er dahintersteckte, durfte nicht bekannt
werden. Die Angst seiner Opfer hätte nachgelassen — trotz seiner spektakulären
Brandanschläge: aufs Tivoli und aufs Roma.
    Freilich: Heute Abend würde er
von seinem Grundsatz abweichen, denn bei der geschäftlichen Ausdehnung — wie
er’s nannte — gab es ein Problem. Unter Ausdehnung verstand er: Nicht nur
italienische Gastronomen sollten Schutzgeld bei ihm abliefern, sondern auch
andere. Aber der Wirt vom Gasthof Grüner Baum — ein gewisser Ludwig
Bauer-Rottleben — gab sich stur. Er weigerte sich. Er verlangte persönlichen Kontakt,
um — wie er behauptete — einen machbaren Tarif auszuhandeln. Persönlicher
Kontakt — das roch fürchterlich nach einer Falle. Aber Bunzkuhl hatte schon
mehr als einen Hinterhalt in seinem Legionärs-Dasein überlebt und war neugierig
geworden.
    Mal hingehen, dachte er.
Umsehen. Eine Falle rieche ich zehn Meilen gegen den Wind. Zunächst komme ich
als Gast. Ob ich mich zu erkennen gebe, entscheide ich später. Und an der
Stimme erkennt mich der Wirt — falls er selbst da ist — bestimmt nicht.
    Bunzkuhl war Anfang vierzig,
groß, ein 100-Kilo-Typ. Er wirkte hart. Eckiger Schädel, Bürstenschnitt und ein
alberner kleiner Goldring am Ohr. Ein paar Narben verteilten sich im Gesicht.
Die wasserfarbenen Augen fixierten Umwelt und Menschen mit einem Ausdruck von
Missmut und Feindseligkeit.
    Es war spät, die Nacht
ungemütlich. Vor dem Gasthof Grüner Baum stand nur noch ein Wagen.
    Bunzkuhl stellte seinen Audi
daneben.
    Als er eintrat, sah er gleich:
Der letzte Gast war gegangen. Der Wagen gehörte vermutlich dem Wirt. Der stand
hinter der Theke und setzte eben ein Glas ab.
    Bunzkuhl sah sich rasch um. Und
war beeindruckt.
    „Schon geschlossen?“, fragte
er.
    „Die Küche ja. Aber wenn Sie
nur was trinken wollen...“
    Bunzkuhl nickte und trat an die
Theke. Der Wirt wischte eine Bierpfütze auf.
    „Ein schönes, großes, frisches
Bier wäre jetzt...“ Bunzkuhl stockte, stützte eine Hand auf die Theke und
beugte sich vor. Auf seinem Söldner-Gesicht lag Erstaunen. „Heh! Wilhelm?“

    Der Wirt schob die Brauen
zusammen. „Kennen wir uns?“ Er musterte Bunzkuhl und ein zögerndes Lächeln hob
die Mundwinkel. „Claus? Nein! Das kann doch nicht wahr sein!“
    „Doch! Ich bin’s! Claus
Bunzkuhl.“
    „Mann!“ Der andere strahlte.
„Ich glaub’s noch nicht.“
    Beidhändiges Händeschütteln
über die Theke. Beinahe hätten sie sich umarmt — in Erinnerung an die alten
Zeiten. Lange war’s her.
    Damals als Jugendfreunde waren
sie unzertrennlich gewesen. Einer für den andern. Die Freundinnen hatten sie
ausgetauscht untereinander —
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