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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher
Autoren: Michael Ridpath
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nach New York absetzte, hatte sie mir ihre Hälfte der Wohnung nebst allen Möbeln übe r lassen. Dafür hatte ich ihre Hypothekenverpflichtungen übernehmen müssen. Damals schien das ein gutes G e schäft zu sein, zumal sie das gesamte Eigenkapital aufgebracht ha t te. Doch leider zeigte sich mein Gehalt nicht ganz den damit verbundenen Belastungen gewachsen.
    Bis jetzt zumindest.
    Kate fröstelte. »Kalt ist es hier. Kannst du nicht die Heizung anmachen?«
    »Äh, nein«, sagte ich. »Aber das macht praktisch nichts. Bei der alten Dame über mir sind es für gewöhnlich fast dreißig Grad. Die heizt gewissermaßen für mich mit.«
    »Wärme steigt nach oben«, meinte Jamie trocken.
    Verlegen schwieg Kate. Situationen wie diese ergaben sich häufig mit meinen finanziell bessergestellten Freunden. Für sie war das Bezahlen von Rechnungen eine läst i ge Pflichtübung und kein finanzielles Problem, das sich nie ganz lösen, sondern nur immer wieder hinausschieben ließ. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Hör mal, das kannst du dir doch jetzt leisten. Wenn du willst, kannst du deine Wohnung den ganzen Sommer hindurch in ein tropisches Paradies verwandeln.«
    »Das stimmt«, sagte ich. Doch das eigentliche Problem bestand darin, daß der Heizkessel im Februar kaputtgegangen war. Der Boiler ging zwar noch, aber nicht mehr die Heizung. Die Reparatur war auf achthundert Pfund vera n schlagt worden. Es war ein kalter Winter gewesen, und auch der Frühling war unfreundlich. Aber Kate hatte recht, ich konnte mir jetzt einen neuen Heizkessel leisten. Und die feuchte Stelle in der Küche würde ich auch gleich au s bessern lassen. Ja, vielleicht war auch noch der Kauf von einem Paar neuer Schuhe drin.
    Ich hatte ganz einfach die Nase voll vom Leben an der Armutsgrenze. Ein armer Student zu sein, das war vertretbar. Ein armer Doktorand, das ging gerade noch an. Aber ich war jetzt fast dreißig und konnte mir noch immer ke i nen vernünftigen Urlaub, kein Auto und keinen neuen Heizkessel leisten. Das nervte. Im letzten Jahr hatte einer meiner Studenten trotz eines ziemlich durchschnittlichen Examens eine Stellung als Unternehmensberater mit ach t zehntausend Pfund im Jahr ergattert, fünftausend Pfund mehr als ich. Und das mit zweiundzwanzig!
    Jamie schien meine Gedanken zu erraten. »Weißt du, das Leben ändert sich«, sagte er.
    »Das war der Zweck des Ganzen.«
    »Bei Dekker Ward wird hart gearbeitet. Nicht, daß dich Ricardo vierundzwanzig Stunden am Tag beansprucht, er gibt sich sicherlich auch mit den Stunden zufrieden, die du nicht zum Schlafen brauchst.«
    »Ha!« schnaubte Kate verächtlich.
    Ich sah sie an und begriff. Nun, ich war Single. Niemand würde auf mich warten. »Ich kann hart arbeiten, wie du weißt.«
    »Schon, aber wir wollen mal abwarten, wie das morgens um sieben aussieht.«
    Ich lachte. »Ich wollte schon immer wissen, wie die Welt um diese Uhrzeit aussieht. Das werde ich ja nun herausfi n den.«
    »Und du wirst das Rugbyspielen aufgeben müssen«, sagte Jamie.
    »Meinst du? Ich krieg ’ das schon irgendwie unter einen Hut. Vielleicht muß ich hin und wieder das Training ausfa l len lassen, aber die Mannschaft braucht mich.« Ich war die beste Nummer acht in der Rugbymannschaft der School of Russian Studies. Ohne mich würde es schwer werden für sie.
    »Vergiß es«, sagte Jamie. »Als ich bei Gurney Kroheim war , habe ich noch ein bißchen gespielt, aber als ich zu Dekker Ward ging, war Schluß damit. Die Reisen machen dir einen Strich durch die Rechnung. Praktisch ohne Vo r warnung mußt du übers Wochenende weg. Das macht ke i ne Mannschaft lange mit.«
    Ich registrierte Kates Blick. Nicht nur Rugbymannschaften schienen darunter zu leiden. »Schade«, sagte ich. »Es wird mir fehlen.«
    »Mir fehlt es auch«, sagte Jamie. »Ich kann mich zwar einigermaßen in Form halten, aber das ist nicht wirklich dasselbe. Zum Glück kann ich meine Aggressionen jetzt auf andere Art herauslassen.«
    Jamie war ein sehr guter Spieler gewesen, besser als ich. Am Magdalen College hatte er hinter mir als scrum half gespielt. Er war klein, stämmig, mit breiten Schultern und kräftigen Beinen und hielt den Angriffen von Spielern stand, die doppelt so groß waren wie er. Ich hatte ihn auch als furchtlosen Angreifer erlebt. Ich werde nie vergessen, wie er die Nummer acht der All Blacks, des neuseeländ i schen Nationalteams, ausgeschaltet hat, als sie am Gedrä n ge an ihm vorbeifegte. Jamie bestritt sogar einige
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