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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher
Autoren: Michael Ridpath
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immer um einen Schritt voraus. Wir erkannten die Chance schneller als alle anderen. Als Andrew Kerton mich vor zehn Jahren holte, wollte er sich wahrscheinlich nur mit einem Firmenableger auf einem lukrativen Geschäftsfeld positionieren. Ich bin sicher, er hatte keine Ahnung, welche Dimensionen das Ganze eines Tages annehmen würde. Damals, in den achtziger Jahren, als alle Welt Lateinamerika abgeschrieben hatte, haben wir die Leute dazu überredet, wieder in den Markt zu gehen. Meistens Lateinamerikaner, die Geld im Ausland angelegt hatten. Dann haben wir uns mit Chalmet, einer Schweizer Privatbank, zusammengetan. Die hatten eine Menge Kunden, die regelrecht darauf brannten, ihr Geld wieder in der Region zu investieren.«
    Er hielt inne und nahm einen Zug aus seiner Zigarette. Ein prüfender Blick traf mich; er wollte sehen, ob er meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. Er hatte sie.
    »Dann begannen die großen Handelsbanken, die in den siebziger Jahren Milliardenkredite in die Region gepumpt hatten, ihre Anleihen zu Schleuderpreisen auf den Markt zu werfen. Wir halfen ihnen. Die Transaktionen liefen über uns. Anfang der neunziger Jahre wurden viele dieser Anleihen in sogenannte Bradys umgewandelt. Wir handelten mit ihnen, vermittelten sie an neue Investoren. Und in den letzten Jahren waren die Leute auch wieder bereit, frisches Geld in Lateinamerika zu investieren. Wir haben die Emission von Anleihen für alles und jeden organisiert, angefangen von brasilianischen Glasmanufakturen bis hin zur R e publik Argentinien.«
    »Haben Sie denn keine Konkurrenz?«
    Ricardo lachte leise in sich hinein. »Aber gewiß doch. A l le wollen sie mitmischen. Aber wir waren die ersten, wir haben die Kontakte, wir haben die besten Leute. Wenn j e mand eine Lateinamerikaanleihe plazieren will, dann weiß er, daß er uns beteiligen muß. So sind nun einmal die R e geln.«
    »Und wenn sie gebrochen werden?«
    »Dann erleidet die Anleihe Schiffbruch. Ohne uns geht gar nichts.«
    »Eine ausgesprochen komfortable Position!« sagte ich.
    Ricardo nickte. »Aber wir müssen immer auf der Hut sein. Daher liegt mir soviel daran, stets die besten Leute im Markt zu haben. Ohne die sind wir nichts.«
    Durch das Fenster des kleinen Konferenzzimmers blickte ich hinaus in den Börsensaal, in dem sich Schreibtische und Elektronik drängten, Männer und Frauen in Telefone sprachen, wählten, auf Bildschirme starrten und umherliefen. Gedämpft drang der Lärm dieser Geschäftigkeit durch die Glaswände. Ich fragte mich, was diese Leute machten, mit wem sie telefonierten, worüber sie sprachen. Zahlen flimmerten über die vielen Bildschirme. Was hatte das alles zu bedeuten?
    Jenseits dieser geheimnisvollen Aktivitäten begann eine weite, blaue Fläche – der Himmel über den Londoner Docklands.
    Ricardo folgte meinem Blick. »Sie sind jung. Intelligent. Ehrgeizig. Und unterschiedlichster Herkunft, vom Vertr e ter des argentinischen Hochadels bis hin zum A b gänger einer integrierten Gesamtschule. Viele sind wir nicht, dafür aber eine Elite. Für Trittbrettfahrer ist hier kein Platz. Jeder von uns muß seinen Beitrag leisten.«
    Ich nickte. Schweigend wartete Ricardo auf meine nächste Frage. Unwillkürlich hätte ich gern gefragt: »Und was zum Teufel soll ich dann hier?« Statt dessen entschied ich mich für die etwas intelligentere Variante: »Was ist mit den Emerging Markets, den Schwellenländern, außerhalb L a teinamerikas?«
    »Gute Frage. In Asien können wir nicht viel bewegen. Da gibt es eine Menge Banken, und der Rentenmarkt ist ziemlich langweilig. Osteuropa ist schon interessanter, obwohl es dort inzwischen auch schon beinahe seriös gewo r den ist. Wissen Sie, daß Slowenien ein Rating von imme r hin einem › A ‹ erhält? Fast so gut wie Italien.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Aber Rußland, das lohnt sich. In mancherlei Hinsicht ähnelt es den lateinamerikanischen Ländern, und die Profitchancen sind mindestens genausogroß, wenn nicht sogar größer.«
    »Also deshalb sind Sie an mir interessiert?«
    »Getroffen. Ich brauche jemanden, der Russisch spricht, wirtschaftliche Zusammenhänge begreift und intelligent ist. Jemanden, den ich heranführen kann an die Art, wie wi r h ier unsere Geschäfte machen. Jemanden, der hungrig, aber auch loyal ist. Vor kurzem hatten wir Ärger mit uns e rem Osteuropa-Team. Ich weiß nicht, ob Jamie Ihnen d a von erzählt hat.«
    »Sie haben die Firma verlassen, nicht wahr? Und sind zu Bloomfield
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