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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher
Autoren: Michael Ridpath
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er wäre ein zweiter Ricardo Ross geworden. Für ihn war Geld einfach Geld. Die Leben, die dem internationalen Drogenhandel zum Opfer fielen, waren eine Abstraktion, um die sich l e bensuntüchtige Intellektuelle wie ich den Kopf zerbrechen mochten, aber nicht Jamie. Ihn würde man nicht erw i schen. Jamie doch nicht.
    Das gleiche mit Luciana. Er konnte Ricardos Frau verführen und ungestraft davonkommen. Niemand würde ihn erwischen. Jamie doch nicht.
    Dann hörte ich, wie er wieder ins Zimmer trat. Ich wandte mich um. Das Glas glitt mir aus den Fingern, als ich sah, was er in der Hand hielt.
    Eine Schrotflinte.
    Er kehrte zu seinem Sessel zurück und richtete den Lauf der Waffe auf mich. Unverwandt starrte er mich an. Die Gefühle, die in ihm gebrodelt hatten, schienen von ihm abgefallen zu sein. Gott, dachte ich, er erschießt dich.
    »Jamie, ich bin dein Freund. Laß dir doch helfen!« stotterte ich.
    Er hielt das Gewehr auf mich gerichtet, zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, dann drehte er es um, so daß der Lauf auf sein Gesicht zeigte.
    »Nein!« schrie ich.
    Aber da hatte er auch schon abgedrückt.
    DREIUNDDREISSIG
    I sabel und ich saßen auf einer der Bänke am Cabot Square, zu Füßen des hohen weißen Turms. Es war ein warmer Tag, aber nicht heiß. Überall liefen Banker in Hemdsä r meln und Boten in T-Shirts und Shorts herum. Silbrig und golden wurde die Sonne von dem Wasser reflektiert, das um uns herum plätscherte. In der Ferne dröhnte und ra t terte schweres Baugerät.
    Die letzten drei Tage waren schrecklich gewesen. Die Aufregung. Die Polizei. Und dann Kate. Kate, die hysterisch war, wütend, schuldbewußt. Die mir Vorwürfe machte, Jamie Vorwürfe machte, aber vor allem sich selbst Vorwürfe machte. Ich fühlte mich hilflos. Ich konnte sie nicht trösten, niemand konnte das, aber immerhin war ich da. Oliver blieb bei ihrer Schwester, Gott sei Dank, aber er ha t te natürlich mitbekommen, daß irgend etwas Schreckliches geschehen war. Eines Tages wird er es erfahren, dachte ich mit einer Mischung aus Furcht und Trauer.
    Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich ging, aber ich mußte fort. Ich konnte nicht anders. Und es tat gut, Isabel wiederzusehen. Lange hatte sie mich in ihren Armen gehalten und dann vorgeschlagen, am Flußufer bis Canary Wharf zu gehen. Ich sprach über Jamie, mühsam und lan g sam. Ich mußte mich erst einmal durch das Chaos an Gefühlen tasten, das sein Tod in mir ausgelöst hatte. Sie hörte zu, und das allein half mir schon.
    Von unserer Bank aus blickten wir hoch zu dem großen weißen Turm. »Ich kann mir gut vorstellen, was da obe n j etzt los ist«, sagte Isabel. »Sie feiern sich selbst. Die Kurse ziehen an, und Ricardo gehört die Firma.«
    »Wärst du gerne dort?« fragte ich.
    »Irgendwie schon. Doch ich schäme mich, es zuzugeben, nach all dem, was passiert ist.«
    »Ich kann es einfach nicht glauben. Ich kann nicht glauben, daß er gewonnen hat.«
    »Er gewinnt immer.«
    »Ich weiß.« Ich wandte mich ihr zu. »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich habe lange mit meinem Vater gesprochen. Er sagt, die Übernahmeofferte für Dekker Ward habe ihm zu Bewußtsein gebracht, daß die Banco Horizonte eine intern a tionale Niederlassung braucht. Er möchte eine in London eröffnen. Und ich soll sie leiten.«
    »Und wirst du?« fragte ich.
    »Ich glaube schon. Da habe ich die Möglichkeit, eine Investmentbank nach meiner Vorstellung zu führen. Zunächst wird es nur eine kleine Firma sein, aber ich würde sie schon in Schwung bringen.«
    »Eine gute Idee.«
    »Und was ist mit dir? Was wirst du machen? Suchst du dir einen neuen Job in der City?«
    »Auf gar keinen Fall. Nicht nach dem, was mit Jamie passiert ist. Und fast mit mir passiert wäre. Puschkin ruft. Ich werde diese leidige Dissertation endlich abschließen. Tatsächlich freue ich mich sehr darauf.« Ich seufzte. »Aber ich muß dabei ein bißchen Geld verdienen. Vielleicht kann ich irgendwo an einer Privatschule eine Stellung als Russischlehrer annehmen. Oder als Rugbytrainer. Ich habe nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung.«
    »Wäre das in London?« fragte sie.
    »Wenn ich hier eine Stellung fände«, sagte ich. »Aber das dürfte verdammt schwierig sein. Es könnte mich überallhin verschlagen.«
    »Das wäre zu schade«, sagte Isabel.
    »Wohl wahr.«
    Wir schwiegen. Isabel blickte zur Spitze des Turmes auf . » Du könntest bei mir in London wohnen. In meiner Wo h nung. Ich habe vor, morgen in sie
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