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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher
Autoren: Michael Ridpath
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anrüchige Partys, zur Schau getragene Langeweile. Nur einer Leidenschaft blieb er treu – den Frauen. Bei d e nen kam er vorzüglich an mit seinen strahlenden blauen Augen und dem gewinnenden Lächeln, das jeden für ihn einnahm, mit dem er zu tun hatte. Ich folgte seinem bunten Treiben belustigt aus einiger Entfernung. Groß, dunkelhaarig, etwas unscheinbar und schüchtern, wie ich war, hatte ich weniger Glück bei den Frauen als er. Aber wir hatten viel Spaß zusammen. Und nach dem Studium war unsere Freundschaft noch enger geworden.
    »Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß du ein Banker wirst!« rief Kate aus. »Vor allem nach all den Vorwü r fen, mit denen du Jamie überschüttet hast.«
    »Ich weiß. Unglaublich, aber wahr.«
    »Also, wann legst du dir den BMW zu? Außerdem brauchst du ein Handy und Hosenträger.«
    »Hör auf, Kate, immer eins nach dem andern«, sagte Jamie. »Hast du Nadelstreifenunterwäsche, Nick?«
    »Trägt Ricardo etwa Nadelstreifenunterwäsche?« wollte Kate spöttisch wissen.
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
    »Na ja, ich dachte nur, wo ihr bei Dekker Ward doch alle ein Herz und eine Seele seid …«
    »Meine Baumwollenen mit Eingriff tun ’ s auch«, sagte ich . » Ich habe auch meinen Stolz.«
    Wir tranken unseren Champagner. Ich war guter Dinge und freudig erregt. Nach und nach stellte sich das Gefühl ein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    »Na, was hältst du vom Marketmaker ? « fragte Jamie.
    » Marketmaker ? Wer ist das? Ricardo?«
    »Ja. Das ist sein Kampfname. Stammt aus der Zeit, als er so ziemlich der einzige auf der Welt war, der die Nachfrage nach lateinamerikanischen Anleihen künstlich schaffen konnte. Jetzt handelt ja jeder mit ihnen, aber er hat aus dem Markt das gemacht, was er heute ist.«
    »Ich war schon einigermaßen beeindruckt. Aber ich glaube, alles andere hätte mich auch schwer enttäuscht. Überrascht hat mich, wie umgänglich er ist. Natürlich ist er kein Durchschnittstyp, das merkt man schon. Trotzdem hat er mich absolut ernst genommen.«
    »Das ist gar nicht so ungewöhnlich«, sagte Kate.
    »Ich weiß nicht. Man sollte meinen, daß jemand wie ich für einen Mann mit so viel Macht ein Nichts darstellt. Er geht normalerweise mit Staatschefs um, nicht mit arbeit s losen Akademikern.«
    »Das eben gehört zu seinem Geheimnis«, sagte Jamie . » Egal, wer du bist, er gibt dir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob du der Finanzmin i ster von Mexiko bist oder der Laufbursche.«
    »Wenigstens kannst du jetzt die Wohnung behalten«, sagte Kate und blickte sich in dem kleinen Wohnzimmer um. Es war recht hübsch und hatte eine Terrassentür, durch die man in einen kleinen Garten gelangte. Aber der Raum war winzig, so winzig wie die ganze Wohnung. Sie bot kaum Platz genug für all meine Bücher, von Menschen ganz zu schweigen. Im nachhinein konnte ich nicht begre i fen, daß Joanna und ich so viel Geld für so wenig Platz ausgeg e ben hatten. Zugegeben, die Lage war günstig – nur ein paar Minuten zu Fuß von Primrose Hill im Norden Londons. Trotzdem, sechs Jahre später hatten die Wo h nungspreise immer noch nicht wieder den Stand erreicht, auf dem sie sich beim Kauf der Wohnung befunden hatten. Manchmal zweifelte ich daran, ob sie das je wieder scha f fen würden.
    »Ja, ich bin froh«, sagte ich. »Ich habe mich doch sehr an sie gewöhnt und hätte sie nur höchst ungern wieder an die Wohnungsbaugesellschaft abgetreten.« Auf den Brief, mit dem ich Mr. Norris über die Veränderung meiner Verm ö gensverhältnisse zu informieren gedachte, freute ich mich schon sehr.
    »Joanna verstand vielleicht nicht viel von Geld, aber Geschmack hatte sie«, meinte Jamie.
    »Sie war entsetzlich!« sagte Kate. »Du bist immer viel zu schade für sie gewesen, Nick. Und wie sie dich mit dieser Wohnung hat sitzenlassen!«
    Ich lächelte Kate an. Immer, wenn das Gespräch auf Joanna kam, ging ihr Temperament mit ihr durch. Ihre Pa r teinahme tat mir gut. Die Beziehung zu Joanna hatte me i nen zweijährigen Rußlandaufenthalt heil überstanden, und bei meiner Rückkehr hatten wir beschlossen, ein Haus zu kaufen. Wir hielten das für eine gute Investition. Joanna, di e ü ber eine zweijährige Praxis in einer Handelsbank verfügte, hatte sich um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert und auch die Wohnung entdeckt. Als wir uns drei Jahre später trennten und sie sich mit einem amerik a nischen Investmentbanker
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