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Der Mantel - Roman

Der Mantel - Roman

Titel: Der Mantel - Roman
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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dir gelungen. Gott, wie genial. Ein Hund in unserer kleinen Wohnung. Von diesem Versager. Ein Hund in einem Katzenhaushalt. Ein hässlicher obendrein.« Zur Wohnungsgröße und zum Katzenhaushalt fiel Schmidt viel ein. Aber er sagte nur schlicht: »Ich wüsste nicht, wohin wir ihn geben könnten. Ich nehme ihn in mein Büro.«
    »Das geht doch nicht. Wir bringen ihn heute noch ins Tierheim. Elfi würde einen Hund nicht ertragen.«
    In dem Moment war die zierliche Katze lautlos in das Zimmer gekommen. Shiva, der etwas eingeschüchtert zu Schmidts Füßen saß, beobachtete sie neugierig. Bevor Bettina eingreifen konnte, hatte die Katze zwei kleine Sprünge auf den jungen Hund zu gemacht und blieb mit auf ihn fixierten blauen Augen stehen. Sie beobachteten einander, Schmidt war ebenso gespannt wie seine Frau. Die zerbrechliche schlohweiße Katze stellte sich auf, ihr langes weißes Haar ging nur im Nacken hoch. So konnte man ihren Körper von vorn für weit robuster halten. Ihr Schwanz war aufgestellt und sie entblößte ihre kleinen messerscharfen Zähne. Der dralle Hund, ebenso groß, aber weit kompakter, schien das Zeichen zu übersehen. Mit heftig wedelndem Schwanz kam er auf Körperlänge heran. Die angespannt wartende Katze schlug einmal mit der Tatze drohend in die Luft. Ihre Krallen waren in voller Kampfbereitschaft ausgefahren.
    Der unerschrockene Strandhund ignorierte die Drohgebärde und kam nah an sie heran. Er schnüffelte an ihrem Kopf, ihren Ohren. Sie schien verblüfft und entwaffnet. Mit leicht zurückgelehntem Kopf ließ sie es geschehen. Er inspizierte aus nächster Nähe mit seinen weit offenen Bernsteinaugen ihr breites Gesicht mit der platten Nase und den strahlend blauen Augen. Die fehlende Nasenpartie gab Elfi immer etwas Postkartenkitschiges, aber auch leicht Missmutiges, fand Schmidt. Shiva schien das nicht zu stören. Er hatte seine Hyperaktivität abgelegt. Er nahm nur wahr. Er roch an ihr und strich mit seinem kräftigen Schädel an ihren schmalen Schultern entlang. Die Vordertatzen der Katze gerieten in Bewegung. Erst dehnte sie die Krallen, dann setzte sie die Tatzen abwechselnd ab und hob sie an. Das war ein Zeichen der Zustimmung, dachte Schmidt begeistert.
    Er schielte mit noch gesenktem Kopf zu seiner Frau hinüber. Sie schien zwischen Rührung über Elfis vornehme Reaktion und Ablehnung des Hundes und der Situation zu schwanken. Nun war es aber die Katze, die an Shivas Hals roch und ihren Kopf an seinen lehnte. Schmidt nutzte das Überraschungsmoment der Situation: »Ich denke, sie werden miteinander auskommen. Trotzdem bleibt Shiva sicherheitshalber bis auf weiteres in meinem Büro. »Danke, Shiva«, dachte er, als er den kleinen Hund schließlich von den Dielen aufhob und den Flur hinunter zu seinem Büro trug.
    ***
    Ein glücklicher Beginn, denkt Schmidt, als er seine mühselige Grabarbeit unterbricht. Er stößt den Spaten in den unnachgiebigen Waldboden und richtet sich mit einem Stöhnen langsam auf. Er nimmt den Hut ab, unter dem es ihm zu warm geworden war, und hängt ihn über den Spatengriff. Die wenigen dicken Tropfen, die aus dem dichten Blätterdach auf seinen Kopf mit dem zurückweichenden lockigen Haar fallen, begrüßt er jetzt als willkommene Abkühlung. Er nestelt in der Innentasche des Mantels herum. Dort hat er die Zigarillos und das Feuerzeug verstaut. Sein Arbeitsergebnis überzeugt ihn noch nicht. Eine Spatentiefe ist es noch nicht, circa drei, schätzt er, wird er brauchen. Der scharfe Rauch des Zigarillos, den er dosiert einatmet, schärft seine Sinne wie ein kleiner Schock. Ausgerechnet er, der exzentrisches Verhalten stets vermied, vergräbt hier nachts gegen Gesetz und soziale Spielregeln einen Hund in einer städtischen Parkanlage. Begräbnisse sind ihm ein Gräuel. Er fürchtet sie ebenso wie den Weg dorthin. Begräbnisse sind immer auch eine Würdigung des Todes. Wird nicht eigentlich der Tod gefeiert? Den Toten kann man nicht mehr feiern. Wo auch immer der nun ist, anwesend bei diesen Feiern ist nur der Tod. Ihm erweist man in einem ausgedehnten, teilweise abstoßenden Ritual die Ehre. Die Bestattung seines Vaters vor fünf Jahren hat ihn in seiner Haltung endgültig bestärkt.
    ***
    Es war auch noch im November gewesen, Totenmonat. Nass und kalt, unwirtlich. Sein Vater war an einem Schlaganfall gestorben. Es war nicht der erste gewesen. Die Familie hatte Zeit gehabt, sich auf seinen Tod vorzubereiten. Seine Mutter war eine sehr lebendige Frau. Voller
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