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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche.
Autoren: Charles Bukowski
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habe ich damit dem Postamt fünfzehn Minuten ein- gespart. Kann ich mir dann diese fünfzehn Minuten nehmen und in die Kantine gehen und ein Stück Kuchen mit Sahne essen, fernsehen und dann wieder an die Arbeit gehen?«
»NEIN, SIE SOLLEN SOFORT EINEN NEUEN KORB NEHMEN UND WEITERMACHEN!«
Ich unterschrieb ein Stück Papier, auf dem stand, daß ich belehrt worden sei. Dann unterschrieb Spitz Beaver meinen Passierschein, schrieb die Zeit drauf und schickte mich zurück an meinen Hocker, damit ich mich an den nächsten Korb machen konnte.
    Aber gelegentlich gab es doch eine Abwechslung. Einer der Burschen wurde im Treppenhaus erwischt, in dem auch ich mal eingeschlossen war. Er wurde mit dem Kopf unterm Rock eines Mädchens erwischt. Dann beschwerte sich eines der Mädchen aus der Kantine, ein Oberaufseher und drei Sortierer, die sie mit dem Mund befriedigt hatte, hätten sie nicht wie versprochen bezahlt. Das Mädchen und die drei Sortierer schmissen sie raus, und der Oberaufseher wurde zum Aufseher degradiert.
    Dann steckte ich das Postamt in Brand.
Ich war dabei, Massendrucksachen zu sortieren und rauchte eine Zigarre; ich beförderte die Post direkt von einem Handwagen in den Verteilerkasten, als jemand vor- beikam und sagte: »HEH, DEINE POST BRENNT!«
Ich drehte mich um. Tatsächlich. Eine kleine Flamme ringelte sich hoch wie eine Schlange. Offensichtlich war da vorher brennende Zigarrenasche hineingefallen.
»Ach du Scheiße!«
Die Flamme wuchs schnell. Ich nahm einen Katalog und schlug mächtig auf die Flamme ein. Funken sprühten. Es war heiß. Sobald ich einen Teil gelöscht hatte, fing ein anderer an zu brennen.
Ich hörte eine Stimme:
»Heh! Ich rieche Feuer!«
»DU RIECHST KEIN FEUER«, rief ich, »DU RIECHST RAUCH!«
»Ich glaub, ich verschwinde hier!«
»HIMMEL ARSCH«, schrie ich, »DANN VERSCHWINDE DOCH!«
Die Flammen verbrannten mir die Hände. Ich mußte die Post der Vereinigten Staaten retten, wertlose Massendruck- sachen!
Schließlich bekam ich das Feuer unter Kontrolle. Ich stieß den ganzen Stapel Papier mit meinem Fuß zu Boden und zertrat den letzten Rest roter Asche.
Der Aufseher kam auf mich zu, um etwas zu mir zu sagen. Ich stand da mit dem verbrannten Katalog in der Hand und wartete. Er sah mich an und ging wieder weg.
Dann fuhr ich fort, die wertlosen Massendrucksachen in die Fächer zu stecken. Alles, was angebrannt war, legte ich auf eine Seite.
Meine Zigarre war ausgegangen. Ich zündete sie nicht wieder an.
Meine Hände begannen zu schmerzen, und ich ging hin- über zum Trinkbrunnen und hielt sie unter das Wasser. Es nützte nichts.
Ich fand den Aufseher und bat ihn um einen Passier- schein zum Büro der Krankenschwester.
Es war dieselbe, die öfter zu meiner Wohnung kam und fragte: »Was fehlt Ihnen denn heute, Mr. Chinaski?«
Als ich in ihr Büro kam, fragte sie genauso.
»Sie erinnern sich an mich, was?«
»Aber ja, ich weiß, Sie hatten einige schlimme Nächte.«
»Stimmt«, sagte ich.
»Halten Sie sich immer noch Frauen in Ihrer Wohnung?« fragte sie.
»Klar. Und Sie, halten Sie sich immer noch Männer in Ihrer Wohnung?«
»Das genügt, Mr. Chinaski, also, wo fehlt's?«
»Ich hab mir die Hände verbrannt.«
»Kommen Sie hier rüber. Wie haben Sie sich denn die Hände verbrannt?«
»Spielt das denn eine Rolle? Sie sind verbrannt.«
Sie tupfte meine Hände mit irgendwas ab. Eine ihrer Brüste streifte mich.
»Wie ist es denn geschehen, Henry?«
»Zigarre. Stand bei einem Wagen mit Drucksachen. Asche muß reingefallen sein. Flammen kamen raus.«
Die Brust drückte sich wieder an mich.
»Halten Sie die Hände still, bitte!«
Dann lehnte sie sich mit ihrer ganzen Länge an mich, während sie mir irgendeine Salbe auf die Hände schmierte. Ich saß auf einem Hocker.
»Was ist denn, Henry? Sie scheinen so nervös.«
»Na ja... Sie wissen ja, wie es ist, Martha.«
»Ich heiße nicht Martha. Ich heiße Helen.«
»Heiraten wir doch, Helen.«
»Was?«
»Ich sagte, wann werde ich meine Hände wieder ein- setzen können?«
»Sie können sie sofort einsetzen, wenn Sie Lust dazu haben.«
»Was?«
»Bei der Arbeit, meine ich.«
Sie machte mir einen kleinen Verband.
»Es ist schon wesentlich besser«, sagte ich zu ihr.
»Sie dürfen die Post nicht verbrennen.«
»Es war wertloses Zeug.«
»Jegliche Post ist wichtig.«
»Schon gut, Helen.«
Sie ging zu ihrem Schreibtisch hinüber, und ich folgte ihr. Sie füllte den Passierschein aus. Sie sah lustig aus mit ihrem kleinen weißen Häubchen. Ich
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