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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller
Autoren: Heyne
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aufriss. »O mein Gott.«
    Der Raum war tapeziert mit Schwarz-Weiß-Fotos. Sie klebten an den Wänden und hingen von Wäscheleinen. Kinder.
Säuglinge. Dutzende davon, alle maximal zwei oder drei Jahre alt. Einige der Aufnahmen waren innen gemacht worden, vermutlich im Einkaufszentrum ein paar Kilometer von hier. Aber die meisten Bilder stammten aus einem Park.
    Gooden ging an einer der Wäscheleinen entlang und deutete auf die Fotos von einem kleinen Mädchens im Sandkasten. Carruthers hatte ihr Gesicht erst vor kurzem gesehen. Und obwohl er eigentlich keine Bestätigung brauchte, zog er das Bild Audrey Cutlers aus seinem Jackett. Der heitere, unschuldige Ausdruck ihres Gesichtchens ließ rasenden Zorn in ihm aufsteigen.
    Er marschierte zurück ins Haupthaus, die Hände zu Fäusten geballt und kurz davor, zu explodieren. Er dachte an Mary Cutler, wie sie ihm vor wenigen Stunden Audreys Beschreibung gegeben hatte, mit atemlos gestammelten Worten, den siebenjährigen Sammy auf dem Arm.
    Er dachte an den kleinen Jungen, Sammy Cutler, an seine verstörte Miene. Auch wenn der Junge vielleicht nicht alles begriff, musste er doch unterschwellig spüren, dass seiner kleinen Schwester etwas Schreckliches zugestoßen war.
    Griffin Perlini hockte bewegungslos auf dem Sofa, den Kopf in die Hände gestützt. Der Streifenbeamte nahm sofort Haltung an, als er Carruthers Gesichtsausdruck bemerkte.
    Der Detective rauschte an dem Uniformierten vorbei. Er packte Griffin Perlini bei den Schultern und drückte ihn gegen die Rückenlehne des Sofas.
    »Du sagst mir jetzt sofort, wo sie steckt«, fauchte er leise, »bevor ich dir die Kehle rausreiße.«

Sechsundzwanzig Jahre später September 2006

3
    »Ein Päckchen Marlboro Lights. Oder besser gleich zwei.« Sammy Cutler fischte einen zerknitterten Zwanziger aus seiner Tasche. Dann warf er noch ein Schächtelchen Tic-Tacs zu den gefrorenen Fertiggerichten auf das Band. Die Kassiererin, eine junge Latina mit weicher Haut und pechschwarzem Haar, wirkte so müde und gelangweilt, wie Sammy sich fühlte. Er hatte gerade eine Doppelschicht auf der Baustelle des neuen Highways hinter sich. Das gute Wetter hielt höchstens noch einen Monat, danach würde es den ganzen Winter über wieder trübe aussehen im Baugewerbe. Im Moment hatte er noch keinen Plan B. Und die Arbeitgeber rannten einem Ex-Sträfling nicht gerade die Bude ein.
    Er schob eins der Zigarettenpäckchen in die Brusttasche seines Flanellhemds, das andere in seine Lederjacke. Dabei fiel sein Blick auf seine Hände. Sie waren groß, rau, haarig und geschwollen von einem weiteren Tag harter körperlicher Arbeit.
    »Wo, zum Teufel, steckt Manny?«
    Sammy musterte kurz den sich lautstark beschwerenden Mann eine Kasse weiter. Er trug ein frisch gebügeltes weißes Hemd und darauf ein Namensschild, das wohl seine verantwortliche Position in dem Laden deutlich machen sollte. Dieser tolle Hecht war schätzungsweise der Filialleiter. Sammy schnappte sich eine Plastiktüte und begann, seine Einkäufe hineinzustopfen, die sich hinter der Kasse stapelten.

    »Griffin«, rief der Mann. »Griffin!«
    Sammy gefror das Blut in den Adern.
    »Ihr Wechselgeld, Mister.« Sammy starrte auf die grünen Scheine und silbernen Münzen, die man ihm in die Hand drückte. Dann blickte er zu dem Mann auf, der sich jetzt rasch dem Filialleiter näherte. Er war klein, bucklig und hatte schmale grüne Augen. Sein Haar war kurzgeschnitten, an den Schläfen bereits ergraut, aber oben immer noch tiefrot.
    »Übernehmen Sie vorläufig die Kasse, Griffin. Wo steckt Manny?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sammy lauschte angestrengt. Er hatte den Mann nie sprechen hören. Hatte ihn nie mit eigenen Augen gesehen. Er war damals noch so jung gewesen.
    Griffin.
    Sicher gab es noch andere Menschen mit diesem Namen, so ungewöhnlich er auch war.
    Aber von seiner ganzen Haltung her konnte es hinkommen. Sammy hatte mit ein paar Kerlen dieser Sorte eingesessen. Typen, die auf kleine Kinder standen. Man erkannte sie auf den ersten Blick. Gestört und verklemmt. Als litten sie unter einem tiefen Schamgefühl, das sie nie losgeworden waren.
    Ja. Das war eindeutig der Mann, der vor sechsundzwanzig Jahren seine Schwester missbraucht und ermordet hatte.
    Sammy machte unwillkürlich ein paar Schritte, um das Profil des Kassierers namens Griffin zu betrachten.
    »Vergessen Sie Ihre Einkäufe nicht, Mister.«
    Sammy streckte seine zitternde Hand aus. Seine Faust schloss sich um den
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