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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller
Autoren: Heyne
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freiwillig hier war. Warum, zum Teufel, war er dann hier?
    »Der Mann, den Sie vertreten sollen, ist wegen Mordes angeklagt, Mr Kolarich.«
    Das klang irgendwie bedeutsam, also griff ich nach Stift und Block. Ich kritzelte: Einstecktuch = fettes Honorar.

    »Er hat jemanden getötet, der sich sexuell an Kindern vergangen hat«, fuhr Smith fort.
    Mein potenzieller Klient hatte einen Pädophilen umgebracht? Na, wenigstens hatte es diesmal keinen Unschuldigen erwischt.
    »Und in welcher Beziehung stehen Sie zu dem Angeklagten?«, erkundigte ich mich.
    Darüber musste er eine Weile nachdenken, obwohl mir das keine allzu schwierige Frage schien.
    Wenn ein Angeklagter sich nicht selbst an einen Anwalt wendet, übernimmt das normalerweise ein Familienmitglied für ihn. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Smith nicht in diese Kategorie gehörte.
    »Wie Sie sich vielleicht vorstellen können«, sagte Smith schließlich, »beschränken sich Sexualstraftäter nicht auf ein Opfer, sondern schädigen eine ganze Reihe von Menschen.«
    Richtig. Aber er wich mir aus. Redete um den heißen Brei herum. Ich tue das den ganzen Tag und misstraue prinzipiell Menschen, die mir in der Beziehung mein Spiegelbild vorhalten.
    Ich hatte nicht den Eindruck, als wäre Smith oder irgendjemand, der ihm nahestand, diesem Pädophilen zum Oper gefallen, auch wenn er mir das offensichtlich zu suggerieren versuchte. Dazu wirkte er emotional viel zu ungerührt. Ich bilde mir ein bisschen was auf meine Menschenkenntnis ein, und in seinem Gesicht bemerkte ich keine Spuren eines derartigen Schmerzes. Vielmehr stellte er eine herablassende Verachtung zur Schau, die vor allem meiner Person zu gelten schien.
    »Entweder Sie übernehmen den Fall für dreihundert Dollar die Stunde«, beschied er, »oder jemand anders wird sich dessen glücklich schätzen dürfen.«

    Mit diesen Worten erhob sich Smith aus seinem Sessel und blieb vor mir stehen. Ich bin kein großer Fan von Ultimaten, außer ich spreche sie selbst aus. Gewisse Leute in meinem näheren Umfeld behaupten, ich hätte ein Problem mit Autoritäten. Soweit ich weiß, stammt diese schlaue Einsicht sogar von mir selbst.
    Smith blickte auf die Uhr. Offensichtlich hatte er damit gerechnet, dass ich sofort anbiss. Tat ich aber nicht. In seinen Augen musste ich entweder stur oder bescheuert sein.
    Trotzdem hatte er mein Büro noch nicht verlassen. Es ging ihm sichtlich gegen den Strich, dass ich ihn zappeln ließ, aber aus irgendeinem Grund war er versessen darauf, mich für diesen Fall zu gewinnen. Also musste er mir weiter entgegenkommen.
    »Wann ist er verhaftet worden?«, wollte ich wissen.
    »Im September«, erwiderte er. »Letztes Jahr.«
    »Im September 2006?« Wenn der Mord, wie ich vermutete, nicht mit weiteren Fällen zusammenhing, musste der Prozess demnächst beginnen.
    »In vier Wochen, von heute an gerechnet«, bestätigte Smith.
    »Tja.« Ich winkte ab. »Dann müssen wir wohl den Prozesstermin verschieben.«
    »Unmöglich.«
    Manchmal lächle ich, obwohl ich stinksauer auf jemanden bin. Ich lächle und zähle bis zehn. Als ich bei sechs angelangt war, sagte ich: »Wir sollten hier ein paar Dinge klarstellen, Smith. Wenn Sie mich bezahlen wollen, geht das in Ordnung. Mir ist egal, wer für mein Honorar aufkommt, solange es auf meinem Konto eintrifft. So weit klar? Aber deswegen bestimmen Sie noch lange nicht, was hier möglich ist und was nicht. Solche Entscheidungen treffen allein mein Mandant und ich.
Und Sie sind weder mein Mandant, noch sind Sie mit ihm verwandt. Also haben Sie hier nichts zu melden. Für mich sind Sie lediglich ein lebender Bankautomat, nichts weiter. Und dass ich einen Monat vor Prozessbeginn einen Mordfall übernehme, können Sie sich abschminken.«
    Smith nickte, auch wenn er offenkundig anderer Meinung war, so, wie ich lächle, wenn ich stinksauer bin. »Bereden Sie das mit Ihrem Mandanten«, erwiderte er.
    »Ich werde meinem Mandanten genau das sagen, was ich eben Ihnen gesagt habe. Und wenn es ihm nicht passt, dann wird er auch nicht mein Mandant.«
    Smith musterte mich. Zu gerne hätte ich ihm diesen überlegenen Ausdruck aus dem Gesicht gewischt. Vielleicht konnte ich das Einstecktuch dazu verwenden. Immerhin ließ er sich jetzt zu einem milden Lächeln herab.
    »Der Klient ist ein alter Freund von Ihnen«, bemerkte er. »Sein Name ist Sam Cutler.«
    Sammy. Die Erinnerungen waren sofort wieder da. Eine Welle von Bildern, Geräuschen und Gerüchen
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