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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton
Autoren: Carter Brown
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auch eine Sekretärin oder vielleicht beides in Personalunion —
jedenfalls war sie groß genug, um zwei Jobs gleichzeitig auszufüllen. Sie war
denkmalsreif und rothaarig, bestimmt einsachtzig lang, und gebaut, als ob auch sie über eine prächtige Stimme verfüge. Das
schloß ich aus der Spannung, der ihr Pullover rund um ihre Echokammer herum
ausgesetzt war.
    »Ich bin mit Mr. Kasplin verabredet«, erklärte ich. »Mein Name ist Boyd.«
    Sie klappte den Terminkalender
auf, dann schüttelte sie langsam ihr Haupt. »Es tut mir leid...« Ihre Stimme
klang nach einem melodischen Alt. »Aber davon habe ich hier nichts notiert.«
    »Das tut nun wiederum mir
leid«, versicherte ich ernsthaft. »Wenn Sie sich doch nur meinen schönen Namen —
Danny Boyd — da aufgeschrieben hätten, dann wäre vielleicht aus uns beiden etwas
geworden...« Ich musterte interessiert den geschwollenen Pullover. »Sagen Sie,
mein liebes Kind, hat Ihnen eigentlich schon mal jemand nahegelegt, Arien zu
singen?«
    »Ich hätte das Profil doch auf
den ersten Blick erkennen müssen«, sagte sie und betrachtete mich nachdenklich.
»Nicht wahr, Sie haben in der letzten Spielzeit einen Speer auf der Bühne der
Met herumgetragen?«
    »Nur bei der Premiere«, räumte
ich ein. »Beim ersten Vorhang verbeugte ich mich gleichzeitig mit der
Primadonna, die vor mir stand — dabei geriet der Speer nach vorn und dadurch
wiederum fuhr sie ziemlich hoch.« Ich zuckte entschuldigend die Schultern. »Sie
wissen ja, wie Primadonnen gebaut sind.«
    »Drehen Sie sich doch mal um«,
schlug sie vor. »Vielleicht hat Ihnen hinten jemand die Adresse aufgenäht,
wohin man Sie zurücksenden kann.«
    »Kann ich jetzt mit Kasplin sprechen?« Ich hatte einen Geistesblitz. »Oder wäre
es Ihnen lieber, wenn ich mir den Weg hinein erboxe ?«
    Jetzt war sie mit dem
Schulterzucken an der Reihe, und das war wie der Anfang eines Erdbebens. Dann
griff sie zum Telefon und sprach kurz mit Kasplin .
Wieder zuckten die Schultern, und ich hätte fast applaudiert.
    »Vielleicht liegt’s am Wetter«,
sagte sie. »Oder daran, daß ja jeder ‘nen kleinen Mann im Ohr hat — jedenfalls
hat er gesagt, Sie möchten reinkommen.«
    Kasplin thronte hinter einem riesigen
Schreibtisch mit blankgefegter schwarzer Ebenholzplatte. Er kam mir vor wie ein
General, der den Schlachtplan fix und fertig bereithielt — und dem ein Tropf im
Pentagon die Truppen zum falschen Kontinent geschickt hatte.
    »Setzen Sie sich, Boyd«,
flötete er. »Ich freue mich, daß Sie pünktlich sind.«
    »Und ich freue mich, daß Sie
sich freuen«, erklärte ich gut gelaunt, während ich mich niederließ. »Diese
netten kleinen Dinge, also... Sie sind die bescheidenen Lichter im kargen
Alltag eines Hundedetektivs.«
    »Sie finden also das tragische
Schicksal des Tierchens amüsant?« fragte er finster.
    »Ganz sicher bin ich mir noch
nicht«, erwiderte ich. »Erzählen Sie mir doch erst noch ein bißchen mehr
davon.«
    »Viel kann ich Ihnen leider
nicht berichten«, antwortete er müde. »Die Entführung trug sich nachmittags zu.
Die Mills nahm den Anruf entgegen, angeblich von dem Portier des Theaters, in
dem Miss Alberta probte. Der Mann sagte, Miss Alberta wolle Niki im Theater bei
sich haben und werde einen Boten schicken. Etwa eine halbe Stunde später
erschien tatsächlich ein Mann und nahm den Hund entgegen. Er trug eine
Botenuniform, und Helen vertraute ihm das Tier an. Sie weiß nicht einmal mehr,
wie er ausgesehen hat.«
    »Eine große Hilfe«, murmelte
ich verdrossen. »Noch etwas?«
    »Ich habe natürlich schon bei
allen Botenagenturen nachgefragt«, sagte er. »Nirgends ist ein derartiger
Auftrag registriert worden — ich nehme also an, die Uniform war eine
Verkleidung.«
    Das silberne Büchschen tauchte
zwischen seinen Fingern auf, und ich wartete ab, bis er sich durch seine
übliche Schnupfroutine geschnüffelt hatte.
    »Was mich bedrückt, Boyd«, fuhr
er bedächtig fort, »ist dies: War die verabscheuungswürdige Untat an dem Tierchen
vielleicht nur die Ouvertüre zu einem noch schrecklicheren Ereignis?«
    »Sie meinen, wer den Hund
umgebracht hat, wird sich als nächstes vielleicht an einem Menschen versuchen?«
    »Genau.« Er nickte, und sein im
Verhältnis viel zu großer Kopf wackelte bedenklich. »Es gibt in einem
Opern-Ensemble oft starke und mitunter sehr seltsame Leidenschaften, Boyd.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Ich möchte, daß Sie alle
wichtigen Leute kennenlernen, die mit dieser
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