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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton
Autoren: Carter Brown
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Ihre königliche Stimme befiehlt — und außerdem fünfzehn
Prozent der Bruttoeinnahmen. Wann hat die Metropolitan Opera je einer Primadonna einen Prozentanteil gewährt?«
    Es war offenkundig, daß die
Primadonna sich jeglicher Logik verschlossen hatte — sie war wütend und wollte
es bleiben.
    »Sie erdreisten sich, diese
übelriechende Schmiere in der Second Avenue mit der Met zu vergleichen?« schrie
sie wie wild aufs gebeugte Haupt ihres Managers ein. »Sind Sie von Sinnen, Kasplin , nicht nur mich zu beleidigen, sondern auch die
Heimstatt, den Geburtsort und den Hort der Oper in diesem Land?«
    Kasplin schlug ein Perlenauge auf und
starrte mich finster an. »Das dauert noch ein Weilchen«, sagte er,
unerschüttert von dem donnernden Zorn, der sich anhörte, als könne er das Waldorf um mehrere Handbreit aus den Fundamenten heben.
    »Ich kann warten«, sagte ich.
»Meine Zeit wird ja bezahlt.«
    »Sie hat heute einen schlechten
Tag«, meinte er und sah auf seine Uhr. »Vielleicht ist es besser, wenn wir uns
in meinem Büro weiterunterhalten — sagen wir, in zwei Stunden?«
    »Gern.« Ich nickte und erhob
mich.
    Kasplin reichte mir eine höchst
vornehme Karte, dann lehnte er sich im Sessel zurück und schloß wieder die
Augen. Donna Albertas Stimme klomm weiter die Tonleiter empor, agitato und
fortissimo und gar noch crescendo. Ich entfleuchte aus der Suite, zwei oder drei Sekunden, ehe die Bilder von den Wänden fielen.
    Auf halbem Weg zum Lift ließ
mich ein nervöses Zupfen am Ellbogen herumfahren. Vor mir stand Helen Mills und
blinzelte mich durch ihre dicken Brillengläser an.
    »Sie dürfen das Donna Alberta
nicht übelnehmen, Mr. Boyd«, sagte sie atemlos wie immer. »Bedenken Sie, welch
große Künstlerin sie ist, und nur Kasplin , dieser
unmögliche Mensch, ist schuld daran, daß sie sich überhaupt auf die ganze Sache
eingelassen hat.«
    »Ich persönlich habe nichts
gegen ein Theater in der Second Avenue«, versicherte ich ihr. »Ich habe auch
nichts gegen Aufführungen, die nicht am Broadway stattfinden. Ich bin ein
ausgesprochener Demokrat — ich wohne in Central Park West.«
    »Sie ist jetzt völlig außer
sich«, fuhr Helen Mills entschlossen fort, »und man kann der Ärmsten das
wirklich nicht verargen. Ich meine, seit Niki ihr in... in diesem Paket
zurückgeschickt wurde! Und weil die Premiere vor der Tür steht und sie diesen
fürchterlichen Tanz...«
    »Tanz?«
    »Ja, eben, sie muß tanzen,
verstehen Sie? Den Tanz der sieben Schleier. Dieser — dieser Lüstling von Earl
Harvey besteht darauf, daß sie alle sieben fallen läßt.«
    Mit einem Male spürte ich das
Verlangen, es Kasplin gleichzutun — ich schloß die Augen.
    »Ist Ihnen nicht gut, Mr.
Boyd?« fragte Helen besorgt.
    »Alle sieben?« wiederholte ich
matt.
    »O ja, richtig.« Ihre Stimme
klang verächtlich. »Sie wissen ja nicht, daß es sich um >Salome<
handelt.«
    »Salome — von Oscar Wilde?«
    »Die Oper ist von Richard Strauss ...« Ihre Stimme wurde mit jedem Wort eisiger. »Sie
beruht nur auf Wildes Stück.«
    »Und Donna Alberta spielt die
Salome und tanzt den Tanz der sieben Schleier?« Meine Augen öffneten sich
wieder weit, und ich nehme an, daß Helen Mills wegen des Funkelns darin
zurückwich.
    »Wo kann man Karten kaufen?«
fragte ich. »Viele Karten — vielleicht für sämtliche Vorstellungen?«
    »Mr. Boyd!« Ihre Nasenflügel
zitterten empört. »Ich finde Sie abscheulich!«
    Sie eilte durch den Korridor
zurück zur Tür des Apartments, und irgendwie, ich kann mir nicht helfen, sah
sie in diesem dicken Tweedkostüm von hinten wie von
vorn aus; es war schon ein heller Jammer.
     
    In der anheimelnden
Abgeschiedenheit einer Bar an der Madison Avenue genehmigte ich mir zwei
Martinis und grübelte vor mich hin. Jedesmal , wenn
ich die Augen schloß, sah ich mich auf den Spuren des Pekinesen-Mordfalls —
irgendwo in der Fifth Avenue, auf Knien und Händen
meine Fragen an einen weiblichen Schäferhund bellen, etwa: »Wann hast du Nik the Peke zum letztenmal geschnuppert?«
    Aber jedesmal dann, wenn ich zum Telefonhörer greifen und Donna Alberta mitteilen wollte, sie
möge mich gern haben und sich einen anderen Detektiv suchen, erschien vor
meinem geistigen Auge das Bild, wie der letzte Schleier langsam von diesem
prächtigen Venuskörper zu Boden glitt — und mir wurde klar, daß ich nun nicht
mehr nein sagen konnte.
    Also marschierte ich zwei
Stunden später in Kasplins Büro. Er besaß eine
Empfangsdame oder
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