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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist
Autoren: Eva Heller
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ihn gesagt hatte. Über mich
sagte der Therapeut, daß ich nicht gut für Marcel sei. Ich versuchte Marcel
beizubringen, daß der Therapeut nicht gut für ihn sei. Schließlich fand ich
mich damit ab, daß der Therapeut nicht gut für mich war. Trotzdem konnte ich
nie richtig mit Marcel Schluß machen — weil unsere Beziehung nie richtig
angefangen hatte. Marcel rief mich ständig an, um mir von anderen Frauen zu
berichten, die wild hinter ihm her wären. Als ich Benedikt begegnet war und
Marcel am Telefon von Benedikt erzählte, beklagte er sich, ich sei neuerdings
unkonzentriert und oberflächlich. Und als Marcel Wochen später mich mal wieder
spontan zu besuchen geruhte — ich rahmte gerade ein Foto von Benedikt —, da
fragte er nicht mal, wer das sei. Dabei sieht Benedikt mit seinen strahlenden
blauen Augen millionenmal besser aus als Marcel.
    Bis heute hat Marcel den
schönen Band mit Heine-Gedichten, den er von mir geliehen hatte, weil er ein
Gedicht für eine Verehrerin brauchte, nicht zurückgegeben. Aber egal, es ist,
als ob ich ihn nie gekannt hätte.
    Das ist meine rühmlose
Vergangenheit. Ehe ich Benedikt traf, war ich fast fertig mit den Männern.
     
    Benedikt ist jetzt
achtundzwanzig und ich fünfundzwanzig. Seit dreizehn Monaten kennen wir uns,
seit sechs Monaten wohnen wir zusammen und haben uns noch nie gestritten! Und
nächste Woche werden wir wegziehen, zurück in unsere alte Heimat. Manchmal kann
ich das Glück gar nicht fassen:
    Mein Vater hat Benedikt den
Superjob besorgt — ab nächste Woche wird Benedikt im Architekturbüro meines
Onkel Georg arbeiten.
    Und ich kann ebenfalls
demnächst bei Onkel Georg als Innenarchitektin anfangen.
    Und — auch davon träumen alle —
wir haben ein Haus mit Garten! Wir werden bei Benedikts Mutter wohnen, ihr Haus
ist höchstens eine halbe Autostunde vom Büro meines Onkels entfernt!
    Das Glück hat sich mit uns
verschworen!
     
    * * *
     
    Das Festessen fand am letzten Samstag
im August statt. Weil es so heiß war, hatte niemand richtig Hunger. Nach der
Vorspeise konnte man sich also Zeit lassen.
    Elf Erwachsene und ein Kind
waren wir. Ich hatte Platzkärtchen gekauft mit blau-gold-marmoriertem Rand und
mit türkisblauer Farbe die Namen draufgepinselt. Mein Vater residierte
selbstverständlich am oberen Kopfende der Festtafel. Links von ihm saß
Benedikts Mutter, Frau Nora Windrich, neben ihr Vaters Freund, Herr Engelhardt.
Rechts von Vater saß Frau Doris Engelhardt, die Fünf-Sterne-Hobbystarköchin.
Neben ihr meine Mutter, sie wollte auch bei der Tür sitzen, denn wenn man ein
siebengängiges Gourmet-Menü auftischt, muß man ständig in die Küche rennen.
    Ehe die Gäste kamen, hatte mein
Vater versucht, zwei Platzkarten zu vertauschen, er hätte lieber mit meiner
schönen Freundin Elisabeth geflirtet, statt sich um Benedikts Mutter zu
kümmern, aber meine Mutter stellte die Platzkarte »Nora Windrich« zurück neben
seine Platzkarte »Viktor Faber«. So war die »Generation von Gourmets«, wie Herr
Engelhardt sagte, am oberen Tischende versammelt.
    An der anderen Stirnseite der
Festtafel saß ich als offizielle Hauptperson. Links von mir Elisabeth und Peter
— wir sind die Generation junger Innenarchitekten. Rechts neben mir Benedikt.
Dann meine Schwester Annabell und Benedikts bester Freund Niko. Aber ich
achtete mehr auf die Gespräche am anderen Tischende als auf die neben mir, es
interessierte mich mehr, was meine Eltern mit Benedikts Mutter redeten.
    Sie war die heimliche
Hauptperson. Frau Windrich ist Deutschlehrerin an einer Realschule, sie ist
einundsechzig — man kann nicht behaupten, daß sie jünger aussieht mit ihrer
grauen Ponyfrisur, aber sie ist eine Frau mit sehr fortschrittlichen Ansichten.
Sie findet es gut, daß wir unverheiratet zusammenleben, sie findet auch, daß
man keine Erlaubnis vom Staat braucht, um sich zu lieben. Und sie findet es
auch unheimlich wichtig, daß Frauen heutzutage berufstätig sind und eigenes
Geld verdienen, Heimchen am Herd kann sie nicht ausstehen. Und Benedikts Mutter
trägt immer Hosen. Sie ist ein kumpelhafter Typ und versteht sich mit Benedikt
und ihrer Tochter Medi blendend. Medi ist älter als Benedikt und wohnt auch bei
Frankfurt, kennengelernt habe ich sie bisher nicht. Benedikts Mutter kannte ich
seit ihrem letzten Besuch bei Benedikt, aber meine Eltern sahen sie heute zum
erstenmal.
    Meine Mutter hatte es darauf
angelegt, bei Benedikts Mutter Eindruck zu schinden. Trotz ihrer
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