Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
stutzen. Gratulation übrigens zu eurer perfekten Analyse. Wie sagt man doch in unserem Sport, Großmeister Labin? Schach.«
    »Wie haben Sie uns gefunden, Emil?« Jamila hatte sichtlich Mühe, sich zu beherrschen.
    »Das fragst du mich? Eine Agentin der NSA? Euer Jeep hat einen Peilsender. Sonderausstattung des Herstellers. Falls der Wagen mal gestohlen wird und man ihn wiederfinden möchte.« Kogan deutete mit der freien Hand in den Wald.
    »Und das Feuerwerk hier war ja nicht zu übersehen. Ich vermute, der arme Justin ist tot?«
    Jamila funkelte ihn wütend an.
    Er nickte. »Ich hatte zwei zu eins auf dich gesetzt, kleine Märchenfee. Unser Cyberpunk ist vermutlich an seinem Ego erstickt, was? Seine Schwäche war nützlich für mich, wenigstens für eine Weile, aber ich ahnte, dass am Ende du die bessere Agentin bist.« Er wedelte mit dem Revolver. »Und jetzt kommt da hoch, ihr beiden Hübschen, damit wir uns auf gleicher Augenhöhe unterhalten können. Aber immer schön die Händchen oben behalten!«
    Tim und Jamila kletterten die Leiter hinauf. Drei von den vier Signalfackeln glimmten nur noch. Dafür illuminierte der Gewitterhimmel immer öfter die Szene. Kogan forderte seine Favoritin auf, ihre Waffe weit in den Wald zu werfen.
    Sie tat es mit hinreichendem Schwung.
    »Und die von Justin auch. Du hast sie doch bestimmt mitgenommen«, fügte er hinzu.
    »Die liegt im Jeep.«
    »Du bist eine gute Lügnerin. Aber nicht gut genug für deinen Meister.« Er trat an sie heran, und Tim musste mit ansehen, wie die groben Finger dieses vielfachen Mörders Jamila an Stellen begrapschten, die er, der schüchterne Soziopath, nie, nicht einmal zufällig, berührt hatte. Dabei förderte Kogan eine weitere Pistole und ein Klappmesser zutage und lächelte.
    »Netter Versuch, Morgiane.« Achtlos schleuderte er die Waffen ins Dunkel und ging rückwärts auf Distanz. Nach fünf Schritten blieb er stehen, nahe genug, um auf das Paar schnell gezielte Schüsse abzugeben, aber zu weit für Jamilas Thaing-Byong-Byan-Tricks.

    »Haben Sie irgendetwas mit dem Orden der Akte und Klaue zu tun?«, sagte sie, scheinbar ungerührt von dem Übergriff des Mannes, den sie so lange bewundert hatte.
    »Die Loyalisten? Diese Ewiggestrigen? Pah! Die sind vor einem halben Jahrhundert sang- und klanglos verschwunden, nachdem ihre letzte Hoffnung gescheitert war, an das Geheimnis von Skull and Bones zu gelangen.«
    »Sie meinen den Einbruch in ›The Outlook‹, das Clubhaus auf Deer Island?«
    »So ist es. Sie haben es aus lauter Frust abgefackelt; mein erster Agentenführer bei der ›Firma‹ zündete höchstpersönlich das Streichholz an. Man könnte es fast als ausgleichende Gerechtigkeit betrachten, dass ich auf diese Weise durch die CIA zu meiner Altersversorgung gekommen bin. Der gute Crow hat mir von diesem Schatz hier erzählt und dass Beales Spur sich in Berlin verlor.«
    »Dann hat Sie die Wahrheit nie interessiert, was die Unabhängigkeitserklärung betrifft?«
    Er lachte selbstzufrieden. »Die Unabhängigkeitserklärung! Dieser lächerliche Wisch, den ihr Amerikaner mehr vergöttert als die Bibel. Der ist mir völlig egal.«
    »Ihnen ging es also nur um den Mammon«, mischte sich Tim in das Gespräch ein. Er wollte Jamila beschützen, wusste aber nicht so recht, wie. Vielleicht durch Hinhaltetaktik, damit sie wieder eines ihrer burmesischen Kunststücke vorführen konnte.
    Kogan schnaubte. »Haben Sie eine Ahnung, wie lächerlich die Pensionen sind, die man ehemaligen Geheimdienstlern zahlt? Und wozu das Ganze? Nur damit die Politiker den Direktiven, für die sie eben noch Menschenleben geopfert haben, am nächsten Morgen den Stempel ›obsolet‹ aufdrücken.
    Von den im Einsatz gestorbenen Agenten bleibt nur ein namenloser Stern im Totenbuch der Behörde. Aber wie schon erwähnt: Dank Ihrer Mithilfe, Großmeister Labin, ist mir ein gnädigeres Schicksals beschieden, und ich darf mich einen vermögenden Mann nennen.«
    »Wenn die Weltwirtschaft den Bach runtergeht, dann werden Sie an Ihrem Geld keine große Freude mehr haben.«
    Der Eulenäugige deutete mit dem Revolver in Richtung Grube. »Edelmetalle und Schmuck sind in Krisenzeiten immer eine gute Anlage. Zwanzig Millionen dürften reichen, um über die Runden zu kommen. Vermutlich würde mir das Weiße Haus für die Dokumente, die Sie so flink in dem Kübel haben verschwinden lassen, sogar das Doppelte oder Dreifache geben. Ich denke, ich habe ausgesorgt.«
    »Eines würde mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher