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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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Scharfsinn nicht mehr spüren zu können: Hier verlief für ihn die Grenze. Er war gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, zu wählen zwischen Angstzuständen mit vollständigen Gedanken oder einem trägen, stumpfen Leben mit halbierter Erkenntnis. Als er begriff, dass er sein Dasein vermutlich so oder so hassen würde, egal, was er tat, entschied er sich für die Angst und hörte auch mit den Medikamenten von einem Tag auf den anderen auf.
    Seither hatte er weder Alkohol noch Drogen angerührt. Nicht einmal mehr eine Kopfschmerztablette. Doch er träumte. Jede Nacht.
    Aber warum musste er eigentlich gerade darüber nachdenken, fragte er sich, während er sich im Badezimmerspiegel betrachtete. Warum jetzt? Der Traum begleitete sein Leben nun schon seit vielen Jahren. Er hatte ihn studiert und analysiert. Hatte ihn mit seinem Therapeuten diskutiert. Gelernt, damit zu leben.
    Warum also jetzt?
    Es lag an Västerås, dachte er, hängte sein Handtuch auf und verließ nackt das Badezimmer. Västerås war schuld. Västerås – und seine Mutter. Aber heute würde er dieses Kapitel seines Lebens beenden. Für immer.
    Heute könnte ein guter Tag werden.
     
     
    Es war der beste Tag seit langem für Joakim, dort im Wald außerhalb von Listakärr, und er wurde noch besser, als er schließlich zu den Auserwählten gehörte, die von dem Polizisten direkt angewiesen wurden, wie und wohin sie gehen sollten. Das sonst eher triste Pfadfindertreffen hatte sich plötzlich zu einem richtigen Abenteuer entwickelt. Joakim warf einen verstohlenen Blick auf den Polizisten, der vor ihm stand, besonders auf seine Pistole, und er beschloss, selber Polizist zu werden. Mit Uniform und Pistole, fast wie die Pfadfinder, aber ordentlich aufgerüstet. Das wäre gut. Denn wenn man ehrlich war, war das Pfadfinderleben nicht unbedingt die interessanteste Beschäftigung, die man sich vorstellen konnte, fand Joakim. Nicht mehr. Er war gerade vierzehn geworden, und diese Freizeitbeschäftigung, der er seit seinem sechsten Lebensjahr nachging, verlor allmählich ihren Reiz. Die Faszination, die das Leben im Freien, das Überleben, Tiere und Natur auf ihn ausgeübt hatten, war weg. Dabei fand er es keinesfalls albern, so wie alle anderen Jungs in seiner Klasse, nein, er hatte lediglich damit abgeschlossen. Danke, es war nett, aber jetzt war die Zeit für etwas Neues gekommen. Etwas Richtiges.
    Vielleicht wusste ihr Leiter Tommy das.
    Vielleicht war er deshalb auf die Polizei und die Soldaten zugegangen und hatte sich erkundigt, was vor sich ging, als sie in Listakärr angekommen waren.
    Was auch immer Tommys Beweggrund gewesen war – der Polizist, der Haraldsson hieß, hatte jedenfalls über die Sache nachgedacht und nach einigem Zögern beschlossen, dass es auf keinen Fall schaden konnte, weitere neun Augenpaare im Wald zur Verfügung zu haben. Sie bekamen ein eigenes kleines Suchgebiet, in dem sie umherstapfen durften. Haraldsson hatte Tommy gebeten, die Gruppe in drei Trupps aufzuteilen, je einen Anführer auszuwählen und zur Einweisung zu ihm zu schicken. Joakim zog das große Los. Er durfte eine Gruppe mit Emma und Alice bilden, den hübschesten Mädchen des ganzen Pfadfinderverbandes. Und obendrein wurde er auch noch zum Gruppenleiter erkoren.
    Jetzt ging Joakim zu den Mädchen zurück, die auf ihn warteten. Dieser Haraldsson war genauso einsilbig und entschlossen gewesen wie die Polizisten aus den Kommissar-Beck-Filmen, und Joakim fühlte sich ungemein wichtig. Er stellte sich bereits vor, wie der Rest dieses phantastischen Tages aussehen würde: Er würde den vermissten Jungen schwerverletzt finden, und der Junge würde Joakim so flehend ansehen, wie nur Sterbende es konnten. Er wäre zu schwach zum Sprechen – doch seine Augen würden alles sagen. Joakim würde ihn hochheben und zum Treffpunkt schleppen, total dramatisch. Die anderen würden ihn sehen und anfangen zu applaudieren, zu jubeln, und alles wäre perfekt.
    Wieder bei seiner Gruppe angelangt, ordnete Joakim seine Gruppenmitglieder so, dass Emma links von ihm stand und Alice rechts. Haraldsson hatte sie strengstens ermahnt, die Kette nicht aufzulösen, und Joakim sah die Mädchen mit ernstem Blick an und erklärte, sie müssten unbedingt zusammenbleiben. Jetzt war es ernst! Nach einer gefühlten Ewigkeit gab Haraldsson ihnen einen Wink, und die Suchmannschaft konnte sich endlich in Bewegung setzen.
    Joakim merkte schnell, dass es ziemlich schwierig war, eine Suchkette
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