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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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dachte Klara.
    Die Frau am anderen Ende wirkte nicht sonderlich aufgeregt, das fiel ihr nun auf. Eher gedämpft. Resigniert.
    «Wie heißt Lisa weiter?»
    «Hansson.»
    Klara notierte den Namen.
    «Besitzt Roger ein Handy? Haben Sie schon versucht, ihn zu erreichen?»
    «Ja, aber er geht nicht ran.»
    «Und Sie haben keine Ahnung, wo er hingegangen sein könnte? Hat er vielleicht bei einem Freund übernachtet?»
    «Nein, dann hätte er angerufen.»
    Die Frau machte eine kurze Pause, und Klara vermutete zunächst, ihr hätte die Stimme versagt, bis sie am anderen Ende der Leitung ein Inhalieren hörte. Sie hatte lediglich einen tiefen Zug von ihrer Zigarette genommen.
    Die Frau stieß den Rauch aus.
    «Er ist einfach weg.»

D er Traum kehrte jede Nacht wieder. Er ließ ihm keine Ruhe. Der immer gleiche Traum, die immer gleichen Szenen der Angst. Das irritierte ihn. Machte ihn wahnsinnig. Sebastian Bergman war einfach zu gut dafür. Wer, wenn nicht er, wusste, was Träume bedeuteten; wer, wenn nicht er, müsste diese fieberhaften Erinnerungen zu verkraften lernen. Doch so gut er auch gewappnet war, so klar er diesen Traum zu interpretieren vermochte, er konnte nicht verhindern, von ihm verfolgt zu werden. Es schien, als könne der Traum seine Professionalität austricksen, um ihm vor Augen zu führen, was auch ein Teil von ihm war.
     
     
    4:43 Uhr.
    Es dämmerte. Sein Mund war trocken. Hatte er geschrien? Vermutlich nicht, denn die Frau, die neben ihm lag, war nicht aufgewacht. Sie atmete ruhig, er sah, wie ihr langes Haar über ihre nackte Brust fiel und sie zur Hälfte bedeckte. Sebastian streckte seine verkrampften Finger, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Er hatte sich bereits daran gewöhnt, dass seine rechte Faust fest geballt war, wenn er aus dem Traum erwachte.
    Er versuchte, sich an den Namen des Wesens zu erinnern, das neben ihm schlief. Katarina? Karin?
    Sie musste ihn gestern Abend irgendwann genannt haben. Kristina? Caroline?
    Nicht, dass es irgendeine Rolle spielte, er hatte nicht vor, sie jemals wieder zu treffen. In seinem Gedächtnis zu wühlen, half ihm jedoch, die verschwommenen Reste des Traumes zu verjagen, die an all seinen Sinnen zu haften schienen.
    Dieses Traumes, der ihn seit mehr als fünf Jahren verfolgte. Jede Nacht der gleiche Traum, die gleichen Bilder. Sein Unterbewusstsein war hellwach und verarbeitete, was ihm tagsüber nicht gelang: mit seiner Schuld fertigzuwerden.
    Sebastian erhob sich langsam aus dem Bett, unterdrückte ein Gähnen und nahm seine Kleider von dem Stuhl, auf dem er sie vor einigen Stunden abgelegt hatte. Während er sich anzog, blickte er sich desinteressiert in dem Zimmer um, in dem er die Nacht verbracht hatte. Ein Bett, zwei Wandschränke, einer davon mit Spiegeltür, ein einfacher, weißer Nachttisch von IKEA , darauf ein Wecker und eine Ausgabe
Fit for Fun.
Außerdem ein Tisch mit einem Foto vom Scheidungskind und allerlei Kleinkram neben dem Stuhl, von dem er gerade seine Kleider genommen hatte. Nichtssagende Kunstdrucke hingen an den Wänden, die ein gewiefter Makler sicherlich als «Latte-farben» bezeichnet hätte, dabei waren sie einfach nur schmutzigbeige. Das Zimmer war genau wie der Sex, den er hier gehabt hatte: phantasielos und ein wenig langweilig, aber er erfüllte seinen Zweck. So wie immer. Leider hielt die Befriedigung nie besonders lange an.
    Sebastian schloss die Augen. Dies war der Moment, der am meisten schmerzte. Der Übergang zur Wirklichkeit. Der U-Turn der Gefühle, den er so gut kannte. Er konzentrierte sich auf die Frau im Bett, insbesondere auf die eine Brustwarze, die nicht bedeckt war.
    Wie hieß sie bloß? Er wusste, dass er sich vorgestellt hatte, als er mit den Drinks zu ihr zurückkam, das machte er immer so. Nie in dem Moment, wenn er sich erkundigte, ob der Platz neben ihr noch frei sei, was sie trinken wolle und ob er sie zu etwas einladen dürfe. Immer erst dann, wenn er das Glas vor ihr abstellte.
    ‹Ich heiße übrigens Sebastian.›
    Und was hatte sie geantwortet? Irgendwas mit K, da war er sich ziemlich sicher. Er zog den Gürtel durch die Schlaufen seiner Hose. Ein kurzes, metallisches Klirren von der Schnalle.
    «Du gehst?» Ihre Stimme war schläfrig-heiser, ihr Blick suchte nach dem Wecker auf dem Nachttisch.
    «Ja.»
    «Ich dachte, wir frühstücken noch zusammen. Wie viel Uhr ist es?»
    «Kurz vor fünf.»
    Die Frau stützte sich auf einen Ellbogen. Wie alt war sie? Knapp vierzig? Sie strich sich eine
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