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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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rief bei der Gemeindeverwaltung an und erfuhr, dass Roger auf die Palmlövska-Schule ging.
    Nicht gut, dachte Haraldsson.
    Dieses Gymnasium war eine Privatschule mit angeschlossenem Internat. Ranglisten zufolge eine der besten Schulen des Landes. Auf die Palmlövska gingen begabte und äußerst motivierte Kinder reicher Eltern. Eltern mit guten Kontakten. Man würde einen Sündenbock dafür suchen, dass die Ermittlungen nicht sofort aufgenommen worden waren, und in diesem Zusammenhang machte es keinen guten Eindruck, am dritten Tag rein gar nichts erreicht zu haben. Haraldsson beschloss, alles andere beiseitezulegen. Seine Karriere war bereits zum Stillstand gekommen, und es wäre dumm, weitere Risiken einzugehen.
    Also hatte er an jenem Nachmittag hart gearbeitet und der Schule einen Besuch abgestattet. Sowohl Rektor Ragnar Groth als auch Roger Erikssons Klassenlehrerin Beatrice Strand reagierten äußerst besorgt und bestürzt, als sie erfuhren, dass Roger vermisst wurde, konnten davon abgesehen allerdings nicht weiterhelfen. Zumindest hatten sie nichts Ungewöhnliches bemerkt. Roger habe sich verhalten wie immer, ganz normal die Schule besucht, Freitagnachmittag eine Klausur in Schwedisch geschrieben, und laut seinen Mitschülern war er hinterher gut gelaunt gewesen.
    Immerhin konnte Haraldsson hier mit Lisa Hansson sprechen, die Roger am Freitagabend als Letzte gesehen hatte. Sie ging in die Parallelklasse und wurde ihm in der Cafeteria des Gymnasiums vorgestellt. Sie war ein hübsches, wenn auch ziemlich durchschnittliches Mädchen. Glattes, blondes Haar, den Pony mit einer einfachen Haarspange hochgesteckt. Ungeschminkte blaue Augen. Eine bis zum vorletzten Knopf geschlossene, weiße Bluse, darüber eine Weste. Haraldsson musste unmittelbar an die Freikirche denken, als er ihr gegenüber Platz nahm. Oder an das Mädchen aus dieser Serie, «Der weiße Stein», die im Fernsehen gelaufen war, als er noch ein Kind war. Er fragte, ob sie etwas trinken wolle. Sie schüttelte den Kopf.
    «Erzähl mir von dem Freitag, als Roger bei dir war.»
    Lisa sah ihn an und zuckte kurz mit den Achseln.
    «Er ist vielleicht so um halb sechs gekommen, wir haben in meinem Zimmer gesessen und ferngesehen, und dann ist er gegen zehn nach Hause gegangen. Jedenfalls hat er gesagt, er würde nach Hause gehen …»
    Haraldsson nickte. Viereinhalb Stunden auf ihrem Zimmer. Zwei Sechzehnjährige. Ferngesehen, das konnte sie vielleicht ihrer Großmutter erzählen. Oder schloss er zu sehr von sich auf andere? Wie lange war es her, seit Jenny und er das letzte Mal einen ganzen Abend lang ferngesehen hatten? Ohne Quickie in der Werbepause? Monate.
    «Und etwas anderes ist nicht passiert? Ihr habt euch nicht gestritten oder vielleicht sogar Schluss gemacht?»
    Lisa schüttelte den Kopf. Sie kaute an einem kaum noch vorhandenen Daumennagel. Haraldsson sah, dass die Nagelhaut entzündet war.
    «Ist er schon mal einfach so verschwunden?»
    Lisa schüttelte erneut den Kopf.
    «Nicht dass ich wüsste, aber wir sind auch noch nicht so lange zusammen. Haben Sie denn nicht mit seiner Mutter gesprochen?»
    Für einen kurzen Moment fasste Haraldsson die Frage als Vorwurf auf, bevor er begriff, dass sie natürlich keineswegs so gemeint war. Hansers Schuld. Sie hatte ihn dazu gebracht, an sich selbst zu zweifeln.
    «Es waren schon andere Polizisten bei ihr, aber wir müssen mit allen sprechen. Uns ein Gesamtbild machen.» Harald räusperte sich.
    «Was für eine Beziehung hat Roger zu seiner Mutter? Gibt es da irgendwelche Probleme?»
    Lisa zuckte erneut mit den Achseln. Haraldsson fand ihr Repertoire etwas beschränkt. Kopfschütteln und Achselzucken.
    «Haben sie sich manchmal gestritten?»
    «Ja, wohl schon. Ab und zu. Ihr gefällt die Schule nicht.»
    «Diese Schule?»
    Lisa nickte.
    «Sie findet sie versnobt.»
    Womit sie den Nagel auf den Kopf trifft, dachte Haraldsson.
    «Wohnt Rogers Vater auch hier in der Stadt?»
    «Nein. Ich habe keine Ahnung, wo er wohnt. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Roger das überhaupt weiß. Er spricht nie über ihn.»
    Haraldsson machte sich eine Notiz. Interessant. Möglicherweise hatte sich der Sohn auf die Suche nach seinen Wurzeln begeben. Um seinen abwesenden Vater zur Rede zu stellen. Und vor der Mutter hielt er das geheim. Es waren schon ganz andere Dinge geschehen.
    «Was ist Ihrer Meinung nach passiert?»
    Haraldsson wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er sah Lisa an und bemerkte zum ersten Mal, dass sie den
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