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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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reden hören, aber nachdem er anschließend das Zimmer betreten hatte, konnte sie nur noch gedämpftes Murmeln ausmachen und vereinzelt Scharren, wenn sich einer der beiden bewegte. Sie hoffte, dass dies ein positives Zeichen war. Keine Schreie, keine aufgeregten Stimmen. Und vor allem keine Schüsse mehr.
    Haraldsson war auf dem Weg ins Krankenhaus oder bereits dort angekommen. Die Kugel hatte ihn direkt unter dem linken Schulterblatt durchbohrt und war auf der Vorderseite wieder ausgetreten. Er hatte viel Blut verloren und musste operiert werden, aber ersten Berichten zufolge war er nicht lebensgefährlich verletzt.
    Vanja blieb die ganze Zeit über in telefonischem Kontakt mit Torkel. Sechs Polizeiwagen waren vor Ort, zwölf schwerbewaffnete Polizisten in schusssicherer Kleidung hatten das Haus umstellt, aber Torkel ließ sie bislang draußen warten. Der gesamte Straßenzug war von uniformierten Beamten abgesperrt worden. An der nächsten Straßenecke hatten sich einige Schaulustige zusammen mit Journalisten und Fotografen versammelt und bemühten sich, näher an das Geschehen heranzukommen. Vanja sah erneut auf die Uhr. Was passierte da oben eigentlich? Sie hoffte inständig, dass sie ihre Entscheidung, Sebastian zu dem Jungen zu lassen, nicht würde bereuen müssen.
    Dann hörte sie Schritte. Vanja zog ihre Waffe und stellte sich breitbeinig neben den Fuß der Treppe. Sie war auf alles gefasst.
    Sebastian und Johan kamen Seite an Seite nach unten. Sebastian hatte den Arm um den Jungen gelegt, der viel kleiner und jünger aussah als seine sechzehn Jahre. Es wirkte so, als würde Sebastian ihn mehr oder weniger die Treppe hinabtragen. Vanja steckte die Pistole weg und nahm Kontakt zu Torkel auf.
    Als Johan versorgt und in psychologische Betreuung gebracht worden war, wo Beatrice ihn bereits erwartete, wandte Sebastian dem Treiben auf der Straße den Rücken zu und ging zurück ins Haus. Schwermütig betrat er das Wohnzimmer, schob ein wenig Wäsche vom Sofa und ließ sich nieder. Er lehnte sich gegen den groben Bezug, legte seine Füße auf den niedrigen Sofatisch und schloss die Augen. Während seiner aktiven Zeit hatte er nur selten zugelassen, dass Fälle, Täter oder Opfer in seinem Bewusstsein zurückblieben. Für ihn waren sie lediglich Werkzeuge gewesen, die man benutzen konnte, Probleme, die es zu lösen, oder Hindernisse, die es zu überwinden galt. Letzten Endes hatten alle und alles in seinen Augen nur existiert, um ihn herauszufordern, seine Begabung zu beweisen, sein Ego zu füttern.
    Wenn sie ihre Funktion erfüllt hatten, vergaß er sie und ging weiter. Den Zugriff, die Verhaftung und das gerichtliche Nachspiel fand er völlig uninteressant. Warum also ließen ihn die Strands nicht mehr los? Ein junger Täter, eine zerbrochene Familie. Gewiss war das tragisch, aber dennoch nichts, was er nicht schon häufiger erlebt hatte. Und nichts, was er noch länger mit sich herumtragen wollte.
    Er hatte mit dem Fall abgeschlossen, und mit Västerås. Ihm war völlig klar, was er nun brauchte, um sich eine Weile von den Strands abzulenken.
    Sex. Er brauchte Sex. Er musste mit einer Frau schlafen, das Haus endgültig verkaufen und zurück nach Stockholm fahren. So lautete sein Plan.
    Sollte er in die Storskärsgatan 12 fahren? Versuchen, mit seinem Sohn oder seiner Tochter Kontakt aufzunehmen? Seiner jetzigen Gemütsverfassung nach zu urteilen besser nicht, aber er wollte keine endgültigen Entscheidungen treffen, bevor es ihm besserging.
    Nach dem Sex, nach dem Verkaufsabschluss, nach Västerås.
    Sebastian spürte, wie sich das Polster ein wenig senkte, als jemand sich neben ihn setzte. Er öffnete die Augen. Vanja saß an der äußersten Kante. Mit geradem Rücken, die Hände auf den Knien gefaltet. Wachsam. Das genaue Gegenteil von Sebastian, der ausgestreckt auf dem Sofa lümmelte. Als ob sie in aller Form einen möglichst großen Abstand zwischen ihnen demonstrieren wollte.
    «Was hat er gesagt?»
    «Johan?»
    «Ja.»
    «Dass er Roger getötet hat.»
    «Und hat er einen Grund genannt?»
    «Er hatte Angst, dass sein Vater ihn noch einmal verlassen würde. Es ist einfach so passiert.»
    Vanja runzelte skeptisch die Stirn.
    «Zweiundzwanzig Messerstiche und eine im Tümpel versenkte Leiche, das klingt nicht direkt wie ein Unglück?»
    «Auf irgendeine Weise hat der Vater wohl dabei geholfen. Ihr werdet ihn ja verhören. Westin wurde garantiert auch nicht von dem Jungen umgebracht.»
    Vanja schien zufrieden.
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