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Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Autoren: PeP eBooks
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rasch den Schlips und wartete auf den fälligen Anschiss. Stattdessen ließ sie wortlos den Motor an und bretterte los.
    Riker hielt sich am Armaturenbrett fest. Er hörte förmlich die Hirnmasse in seinem Kopf herumschwappen. Kein angenehmes Gefühl, wenn man einen Kater hat.
    »Sachte, Mallory. Wir haben noch einen langen Tag vor uns.«
    Sie drosselte das Tempo und sagte so höflich, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief: »Bei den Portiers auf der Upper West Side sind die Kollegen nicht fündig geworden. In dieser Gegend hat sie nicht gewohnt, keiner hat sie auf den Fotos erkannt.«
    Sie hatte also schon ohne ihn angefangen. Was hatte sie noch alles angestellt? Es war zehn. Meist machte er um diese Zeit erst mühsam die Augen auf.
    »Da sieht man mal, dass dir die Erfahrung fehlt«, sagte er leicht gönnerhaft. »Es gibt nicht viele Leute, die eine Identifizierung nach einem Foto aus dem Leichenschauhaus vornehmen können, selbst wenn das Gesicht intakt ist. Eine Mutter erkennt ihr Kind auf den ersten Blick. Manchmal schaffen das auch noch gute Freunde. Aber ein Portier? Vergiss es.«
    Mallorys Profil blieb unbewegt.
    Vorsichtig peilte er die Lage. »Wo geht’s hin? Nach Brooklyn?«
    »Nein, da war ich schon. Anna hat die Sachen bei einer Sammelstelle abgegeben, und von da sind sie zum Hauptlager nach Manhattan gegangen. Annas Ballen ist in einem Obdachlosenasyl für Frauen im East Village gelandet.«
    »Obdachlosenasyl? Also darin muss ich Coffey recht geben: In einer Pennerbleibe kann ich mir unsere Unbekannte einfach nicht vorstellen.«
    »Bereits abgehakt. Der Kaschmirblazer war nicht auf der Liste, den hat jemand schon im Hauptlager geklaut. Und da fahren wir jetzt hin.«
    »Woher willst du wissen, dass es niemand aus dem Heim war?« Blöde Frage. Wahrscheinlich hatte sie dort das Unterste zuoberst gekehrt und alle gegen sich aufgebracht.
    »Eine Bekannte von Anna hat dort die Leitung, sie hat Annas Ballen selber aufgemacht. Der Blazer war nicht drin. Wir fahren zum Hauptlager und nehmen uns alle vor, die was mit dem Zeugs zu tun hatten.«
    Zehn Minuten saßen sie in freundschaftlichem Schweigen nebeneinander. Das war das Positive an der Arbeit mit Mallory: Sie war keine Quasselstrippe, sie machte nur den Mund auf, um ihn zusammenzustauchen oder etwas Sachliches anzumerken. Als sie vor dem Hauptlager hielten, legte er ihr eine Hand auf die Schulter.
    »Keine Cowboystücke, Mädchen! Ich hab dir bei Coffey die Stange gehalten, aber er hatte recht, und das weißt du ganz genau. Wenn du schon schießen musst, dann machst du ganze Arbeit, ist das klar? Die Lehrzeit ist zu Ende.«
    Die Atmosphäre zwischen ihnen war wieder etwas gespannt, als sie in einem sarggroßen grauen Aufzug in den dritten Stock fuhren und einen Raum betraten, der so lang und so breit war wie ein ganzer Häuserblock. Bündel und Ballen waren zu hohen Wällen aufgetürmt, zwischen denen sich schmale Gänge hinzogen, die in der Ferne zusammenzutreffen schienen. In einer Staubwolke bewegte sich ein Gabelstapler durch den breiteren Mittelgang und angelte sich die Packen, deren Nummern ein Mann mit O-Beinen und Bierbauch durch ein Megaphon brüllte.
    Mallory hielt ihm ihre Dienstmarke vor die Nase und fasste neben ihm Tritt. In dem trüben Licht nie geputzter Scheiben sah hier alles so schäbig und verschlissen aus wie das Zeug aus den Ballen. Und so roch es auch. Riker hatte solche Sachen als Kind getragen. Wer den Geruch einmal in der Nase hatte, wurde ihn nie mehr los.
    Er holte sein Notizbuch heraus und lief hinter Mallory her.
    Zwischen seinen Ansagen gab der säbelbeinige Schichtleiter Kommentare ab, die Mallory gar nicht zur Kenntnis nahm.
    »An den Ballen da vergreift sich doch keiner«, sagte er. »Wer würde schon seinen Job für so’n gebrauchten Fummel riskieren?«
    Riker grinste. Der fragliche Fummel dürfte Mallory mindestens neunhundert Dollar gekostet haben. Nur erste Qualität für Mallory, das war schon Helens Devise gewesen, als Riker noch Kathy hatte sagen dürfen. Allerdings hatte die Kleine schon damals statt der Designerklamotten, die Helen Markowitz ihr kaufte, lieber Jeans, Turnschuhe und T-Shirts getragen.
    Das hatte sich bis heute nicht geändert. Nur dass der graue Wollblazer, unter dem sich links die schwere Waffe im Holster abzeichnete, jetzt maßgeschneidert und die Lederlaufschuhe sündteuer und handgefertigt waren.
    »Wer hatte nach der Anlieferung mit den Ballen zu tun?«
    »Einer von meinen acht
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