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Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Titel: Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte
Autoren: Heinrich Steinfest
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veröffentlicht wissen will. Was verständlich ist.«
    »Und genau das hatten Sie nun vor.«
    »Exakt«, sagte Holdenried. »Aber es wäre töricht gewesen, nach all den Jahren einfach zur Presse zu gehen. Köpple ist schließlich kein Leichtgewicht. Nein, wir brauchten jemand, der wirklich Hebel in Bewegung setzen konnte. Der imstande war, zu einer belastenden Geschichte auch belastendes Material zusammenzutragen. Und das auch wirklich will. Und da dachte ich an Paul Hübner. In gewisser Weise ist er der Nachfolger des Freiherrn von Breu. Vor allem in dem Punkt, dass er die Feindschaft zu Köpple aufgegriffen hat. Kein Wunder also, dass er sich interessiert zeigte, als ich ihn anrief und Andeutungen machte, es gebe einen wunden Punkt im Leben meines lieben Max. Natürlich wollte er Genaueres wissen. Aber ich hielt es für besser, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Ich will die Leute einschätzen können. Das geht nicht ohne einen Blick in ihr Gesicht. Es gab auch keine Schwierigkeiten. Hübner hat eingewilligt, sich mit mir zu treffen. Er wusste ja, wer ich war und dass ich ihn wohl kaum belästigen würde, könnte ich ihm bloß Peanuts servieren.«
    »Was ich nicht verstehe – warum diese späte Uhrzeit?«, fragte ich und wurde geradezu rührselig bei dem Gedanken an die Nacht, in der ich Iron Mikes wunderbaren Schlag gesehen hatte, wunderbar in seiner Schlichtheit. Der Schlag war eine klare, vollkommene Geste in einer chaotischen Welt gewesen.
    »Reine Organisationsfrage«, sagte Holdenried. »Hübner hatte Sonntagmorgen im selben Haus einen Termin. Außerdem, glaube ich, leidet er unter Schlaflosigkeit. Was mit sich bringt, dass er sich in den Nächten um das Wesentliche kümmern kann.«
    »Zum Beispiel, sich mit Ruth Dreher treffen.«
    »So war das nicht geplant. Ursprünglich wollte ich selbst mit Hübner sprechen. Warum auch nicht. Dummerweise hatte ich ihn falsch eingeschätzt.«
    »Ein echter Arsch«, schimpfte Geislhöringer und erzählte, dass, einen Tag nachdem Annegrete den Termin vereinbart hatte, Hübner seinen Lieblingsfeind Köpple anrief, keine großen Umstände machte und verriet, dass Annegrete Holdenried offensichtlich über irgendwelche unschönen Informationen verfüge und mit Sicherheit gedenke, diese gegen Max Köpple einzusetzen.
    Man muss sich diese wunderliche Offenheit wohl so vorstellen: Hübner – mit der Dialektik groß geworden – war einer von den Menschen, die sich stets überlegen, wie das Gegenteil von dem aussieht, was sie vorhaben. Ob nicht das Gegenteil viel eleganter, reizvoller oder gewinnträchtiger sei. In seinem Fall bestand das Gegenteil darin, seinen langjährigen Kontrahenten Köpple einfach anzurufen und ihm zu offenbaren, dass Annegrete Holdenried einen Verrat plane. Und weil Paul Hübner sowohl ein strategisch denkender als auch ein verspielter Mensch war, rief er Köpple auch wirklich an und klärte ihn auf. Wobei er natürlich weder etwas von der Terroristen-Geschichte wusste noch davon, dass Frau Holdenried über einen bayerischen Liebhaber verfügte. Und aus diesem Grund kam Köpple auch nicht auf die Idee, an die alte Sache zu denken, vermutete vielmehr, dass Annegrete allein arbeitete, interne Geschäftsunterlagen zusammengetragen hatte, etwa diverse multilaterale Absprachen. Wie auch immer Annegrete an diese Papiere gekommen war.
    Köpple und Hübner trafen sich. Es war wohl an der Zeit, sich mal abseits der üblichen Rivalität kennenzulernen. Die Herren – sozusagen einmal Wange an Wange – überraschten einander mit Sympathie und praktizierten eine Freimütigkeit, die man als vorbildlich bezeichnen muss. Köpple erwähnte, dass ihm nichts anderes übrig bleiben werde, als seine geliebte Annegrete liquidieren zu lassen. Zuvor hatte er mehrmals betont, wie sehr ihm daran gelegen sei, sich bei Hübner zu revanchieren, ihm in irgendeiner Weise dienlich zu sein. Hübner überlegte. Und wieder traf er eine, wenn man so will, originelle Entscheidung. Er bestand darauf, sich wie vereinbart mit Frau Holdenried zu treffen. Und genau zu diesem Anlass sollte dann ihre Ermordung stattfinden. Natürlich würde man allgemein annehmen, das Attentat habe ihm, Hübner, gegolten, Holdenried sei ein reines Zufallsopfer. Hübner war der Überzeugung, dass ein Attentat, das er überlebte, ihm ausgezeichnet zu Gesicht stehen und seine Popularität erheblich steigern würde. Köpple war von der Idee begeistert, versprach perfekte Arbeit.
    »Sie haben sich als Freunde
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