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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition)
Autoren: Margaret Jardas
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Kibbuz Nof Ginossar, diesem
Paradiesgarten am See Genezaret, wo wir zwei Nächte verbringen werden, machen
wir kurz Halt am Jordan. Eine armenische Pilgergruppe lässt sich gerade im
heiligen Fluss taufen. Vollkommen angezogen steigen die frommen Erwachsenen in
das Wasser, lassen sich von einem Priester den Kopf unter die Fluten tauchen.
Wie nasse Ratten kommen sie wieder nach oben. Raffael sagt, sie sähen richtig
verzackt aus. Verzackt? Keiner von uns versteht, was er meint. Er schaut mich
an und sagt „Entschuldige Elisabeth, aber mir fällt kein anderes Beispiel ein.
Wenn ein Mann mit einer Frau schläft und sie sehr glücklich macht, dann ist sie
verzackt“.
    Dabei schaut er mir in die Augen. Ich spüre ein Ziehen in
der Magengegend und kann seinem Blick nicht standhalten. Gott sei Dank lachen
die anderen aus vollem Hals. „Verzückt, verzückt, heißt das Raffael“. sagen
sie. Es ist das erste Mal an diesem Tag, dass wir laut und fröhlich lachen. Wie
befreit. Immer, wenn uns etwas besonders gut gefallen wird, werden wir Raffael
zurufen, wie verzackt wir von seinem Land sind.
    Nach der Dusche im Hotel stehe ich nackt vor dem Spiegel.
Ich schaue mich von allen Seiten an und finde mich ziemlich schön. Die weiten
Hänger kann ich eigentlich in den Wäschesack werfen, denke ich. Heute werde ich
Fleisch zeigen. Viel Enges und Ausgeschnittenes habe ich nicht dabei.
Normalerweise geniere ich mich schon maßlos bei dem Gedanken, dass jemand
meinen Busen zu sehen bekommt. Aber heute muss es sein. Ich helfe noch ein
wenig nach, schiebe die Brüste in die Mitte. Jetzt schauen wirklich zwei dicke,
feste Kugeln aus der engen Bluse raus. Die Hosen sind knapp, ich ziehe ein
wenig den Bauch ein. Ich schaue in den Spiegel und sehe ein Glitzern in meinen
Augen. Knallblau sind sie wie selten. Meine kleine Hexe mit den
Perserkatzen-Augen, sagt mein Mann manchmal zu mir, sehr manchmal. Wieso denke
ich jetzt an ihn? Und weshalb mit diesem Anflug von schlechtem Gewissen? Ich
blende das Bild schnell aus und konzentriere mich auf mein Aussehen. Schon
lange, sehr lange ist mir das nicht mehr passiert, dass ich meinem Spiegelbild
zulächle und ihm sage, wie schön es sei. Ich pfeife vor mich hin und gehe zum
Essen. In bester Laune. Dem werde ich es schon zeigen. Ich werde ihn anglitzern
wie Ava Gardner und ihm den Kopf verdrehen. Ich freue mich höllisch darauf.
    Aber dieser furchtbare Kerl taucht überhaupt nicht auf. Die
blaue Schmiere auf meinen Augenlidern ist umsonst. Ich koche vor Wut. Ich gehe
mit der Gruppe nach dem Essen in einen Dia-Vortrag über die Geschichte und das
System der Kibuzzim. Was soll ich auch sonst tun? Ich höre zum zigsten Mal die
heroischen Stories der frühen Kibuzzniks. Langweilig. Außerdem bin ich empört,
komme mir vor wie sitzengelassen, wie bestellt und nicht abgeholt. Wieso kommt
der einfach nicht zum Abendessen? Ich schmiede Rachepläne für den nächsten Tag.
Da legt jemand im Dunkel des Vortragssaales seine Hand auf meine Schulter.
„Elisabeth, wenn Du Dich von dem Vortrag trennen könntest, wäre ich froh. Ich
möchte mit Dir das Programm von morgen besprechen.“ sagt seine Stimme sanft und
weich. Einschmeichelnd fast. Was ist das für ein Chamäleon, denke ich.
    Drei Minuten später stehe ich schon neben ihm an der Bar.
Der Herr trinkt nur Kaffee. Alkohol nie. Zigarettenrauchen findet er
grauenhaft. Ich zünde mir eine nach der anderen an. Ich hätte Lust, ihm ins
Schienbein zu treten. Ich tu’s und sage ihm, wie furchtbar unsympathisch ich
ihn finde. Wie einen Junker aus Ostpreußen, fehlen nur die Nazi-Stiefel. Er schießt
mir einen Blick zu aus Augen wie kalter Bernstein. Dann lacht er und sagt
„Komm’, ich zeig Dir den Mond. Den liebt Ihr Deutschen doch so.“ und zitiert
das Eichendorff-Gedicht vom lieben Mond.
    „Ganz mit Mondschein bedecket, da träumet sie von mir.“
sekundiere ich ihm.
    „Das stimmt nicht ganz, Elisabeth. Das ist aus dem Leben
eines Taugenichts. “ sagt er, ohne besondere Betonung, emotionslos. Beinahe
bescheiden. Ich bin erstaunt. Was ist denn das für ein Mensch? Er sieht aus wie
ein Panzerfahrer, benimmt sich wie ein Flegel und kennt unseren Eichendorff
besser als ich. Blah, blah, denke ich gleichzeitig. Wahrscheinlich stimmt es
gar nicht, was er sagt. Wenn ich mir schon nicht sicher bin, was kann er dann
schon wissen?
    „Alle Achtung, Herr Major.“ sage ich und hoffe, das sitzt.
Wahrscheinlich ist er über den Rang eines Gefreiten nie hinaus gekommen.
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