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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition)
Autoren: Margaret Jardas
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geschah es!
    Auf dem Weg hinauf zum Tempel Ed Deir im Tal von Petra,
stürzte Frau Matthäus plappernd über ihre eigenen Füße. Blutüberströmt lag sie
da. Ein Brillenhenkel hatte sich in die Nasenwand gebohrt. Beim Sturz war sie
als erstes auf den kleinen Finger gefallen. In Sekundenschnelle schwoll er zu
einem dunkelroten Fleischklumpen an. Ich sah mich schon im Krankenhaus mit ihr,
umgeben von aufgeregten arabischen Ärzten und Pflegern, die alle
durcheinanderschrien und sich nicht einigen konnten, was der Frau nun
eigentlich fehle und was zu geschehen habe. Aber weit gefehlt. Frau Matthäus,
vom Blute gereinigt, stieg tapfer weiter, ein Tempotaschentuch auf die Nase
gepresst, den kleinen Finger in eine Wasserflasche zum Kühlen getaucht. Keine
zehn Pferde würden sie zu einem arabischen Arzt bringen, sagte sie. Eher noch
zu einem Juden, wenn wir dann in Israel wären.
    Ich schluckte den Ärger über diese Bemerkung hinunter und
lehnte jede Verantwortung für ihre Entscheidung ab. Sie reiste weiter mit,
klaglos und von da an sehr schweigsam.
    Und heute Morgen, sechs Tage nach ihrem Fall, sitze ich ihr
beim Frühstück gegenüber und sehe über den Rand meiner Kaffeetasse, wie riesengroß
das Veilchen, dieses unwillkommene Souvenir aus Jordanien, in phantasievoller
Verästelung ihr armes, geschwollenes Gesicht in allen Farben des Regenbogens
aquarellierte. Was kann ich dafür, wenn Du zu dusselig bist zum Treppensteigen,
denke ich gereizt. „Sodele, jetzertle.“ sagt sie friedfertig in meine
aggressiven Gedanken hinein und legt artig ihre Serviette beiseite. Ich habe
sofort ein schlechtes Gewissen - was ist denn nur mit mir? - und lächle so brav
ich kann zurück.
    Als ich zum Bus komme, lehnt der Erzengel lässig an der Tür.
Er grinst und sieht mich von unten bis oben und zurück an und pfeift dann leise
anerkennend durch die Zähne. Ich komme mir vor wie ein Mastschwein, das zum
Verkauf steht.
    „Würdest Du bitte den Eingang zum Bus freimachen. An Dir
Fettwanst kommt ja keiner vorbei.“ schnauze ich ihn an. Oh, denke ich, das war
unter der Gürtellinie; was Blöderes hätte Dir auch nicht einfallen können. Ich
wollte ihn unbedingt einschüchtern, ihm klarmachen, dass ich der Boss bin und
nicht er. Aber das hätte natürlich auf einem mir angemessenen Niveau ablaufen
sollen. Schon wieder schäme ich mich. Noch nicht einmal acht Uhr morgens, und
schon habe ich zweimal meine Fassung verloren. Wie soll das denn weitergehen?
    Ich verkrieche mich hinter den Bus, hole tief Atem. Jetzt
noch einmal ganz von vorne, Elisabeth, rede ich auf mich ein, bis drei zählen
und dann lächelst Du ihn entwaffnend an.
    Als ich in den Bus steige, sitzt Raffael schon auf meinem
Platz, er wippt mit dem Fuß, das Mikrophon hängt ihm über die Hand. Eine neue
Welle heißer Wut steigt in mir auf.
    „ Boker tov, boker tov, Elisabeth , at jaffa meod
meod.“ ruft da Khalil, der Busfahrer, mein Schutzengel wider den Erzengel.
Jedes Mal, wenn er mich sieht, ruft er voller Begeisterung, wie schön ich sei. Jaffa heißt in Hebräisch schön, so wie die weltberühmte Orange. Auf dem zweiten a betont
und in der weiblichen Form. Schön wie eine Rose, schön wie der Morgentau, schön
wie ein leuchtender Stern am Himmel, sei ich. Manchmal ist es lästig, wenn
Khalil mich mit seinen Glutaugen berührt. Aber heute ist sein Wortschwall
willkommen. Meinetwegen kann er mich in Gegenwart des Erzengels ständig
anschmachten. Irgendetwas muss dieses Walross doch berühren. „Sabach el cher,
sabach el ward“ , erwidere ich Khalils Morgengruß. In Arabisch. Das bringt
ihn vollends aus der Fassung, und ich habe einen neuen Freund. Khalil ist
nämlich kein Israeli. Oder halt, doch, doch, er ist Israeli, aber ein
arabischer, ein muslimischer. Nichts Besonderes in Israel. Dieses Los teilt
eine Million Palästinenser mit Khalil. Araber, ob muslimisch oder christlich,
die nach 1948 im Lande geblieben waren und sich mit den neuen Herren
arrangierten: als Belohnung gab es den israelischen Pass.   
    Die Sonne scheint, es ist herrlich warm, meine Hose ist
heute ganz weit am Bund, nichts zwickt. Ich sitze neben Raffael. Auf der Fahrt
zum Berg der Seligpreisungen, dem Ort der Bergpredigt Jesu Christi, erzählt
Raffael von der Bewässerung Israels.
    Mit Argusaugen schauten die Israelis alljährlich im Frühling
auf den Wasserspiegel des Kinneret, des See Genezaret, sagt er. Das
Überleben des ganzen Landes hänge vom Wasser des Kinneret ab. Regne es
nicht
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