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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition)
Autoren: Margaret Jardas
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Wort, keine Erklärung. Ich werde zuerst
versuchen, mit ihm zu flirten, denke ich; wenn er nicht reagiert, weil ich
nicht seinem Geschmack entspreche, gehe ich über zu freundschaftlich
schwesterlicher Kumpanei. Fast hoffe ich, dass ich diesem Ekel nicht gefalle.
Ihm gefallen sicher billige, blonde Dummerchen, die gleich mit ins Zimmer
gehen.
    Wir fahren am Yarmuk-Fluss entlang, sehen die Straße - keine
200 Meter weit weg - auf der wir noch gestern in Jordanien fuhren und immer auf
den besetzten Golan hinüberstarrten. Fasziniert vom Stacheldraht und den
Wachtürmen. Grauenhaft, hatten wir gedacht. Auf diesen Patrouillenstraßen
dürfen sicher nur Panzer fahren, schwerbewaffnete Soldaten als Passagiere.
Jetzt sitzen wir in einem israelischen Touristenbus und werden auf dieser
sandigen Piste zum Mittagessen gekarrt. Von Heckenschützen keine Spur.
    Besonders romantisch ist diese Anlage von Hamat Gader nicht.
Von oben, vom antiken Gadara auf der jordanischen Seite aus, hatte die Anlage
ausgesehen wie eine verwunschene Oase. Einst hatten die Stadt oben auf dem
Hügel und der Badeort unten an den heißen Quellen zusammengehört. Jetzt ist die
Ruinenstadt jordanisch, die Quelle im Tal israelisch annektiertes, syrisches
Territorium.
    In dem Riesenspeisesaal sitzen Hunderte von anderen
Touristen. Draußen ist es angenehm warm, wir aber müssen drinnen sitzen, im
Anorak. Der Air-Conditioner läuft auf Maximal-Betrieb.
    Raffael hat seinen Hut in den Nacken geschoben. Jetzt sieht
er aus wie einer, der in Australien den Urwald rodet. Er kommandiert die
Kellner herum. Wir können essen. Der Petrusfisch ist - natürlich - trocken,
schmeckt nach gar nichts. Raffael sitzt mir gegenüber, ich versuche ein
Gespräch. Er will einfach nicht. Kaum hat er seinen Fisch hinuntergeschlungen,
steht er auf.
„Wir treffen uns um halb fünf am Bus.“ sagt er. Es ist halb drei. Jetzt muss
ich schnell reagieren, sonst legt er sich womöglich unter eine Palme und macht
ein Mittagschläfchen. Ich bitte ihn um einen kleinen Spaziergang mit mir.
    „Wir haben doch so viel zu besprechen.“ versuche ich mein
Glück. Er schaut mich an, als brächte ich ihn um seine wohlverdiente Ruhepause,
quetscht aber dann doch so etwas wie ein Zustimmungsgemurmel heraus. „Wie Du
willst.“ Damit äußert er seinen Widerwillen recht deutlich.
    Wir gehen. Die meisten aus der Gruppe schließen sich uns
höchst erfreut an. Wie hätten sie sich auch zwei Stunden ohne uns zurechtfinden
können. Der Park ist eingezäunt, jede Sehenswürdigkeit eindeutig
gekennzeichnet, aber sie traben ganz vergnügt hinter uns her. Wir betrachten
kleine und große Krokodile. Ein Riesenkrokodil-Paar liegt am Ufer und liebt
sich in Zeitlupentempo. Ich habe ein komisches Gefühl dabei im Bauch. Wir
besuchen die antiken Thermen, ganz in schwarzem Basalt gebaut. Dann gehen wir
zum großen Pool, wo es nach Schwefel stinkt und eine Techno-Band
ohrenbetäubenden Lärm macht. Unsere Gruppe sucht sofort das Weite.
    Raffael und ich setzen uns ins Gras. Er erzählt mir von
seinen sechs Söhnen von drei verschiedenen Frauen, erzählt von seinen Eltern.
Sein Vater hat es in den Dreißiger Jahren auf abenteuerlichen Wegen geschafft,
Berlin zu verlassen. Der Rest der Familie nicht. Sie sterben alle in
Buchenwald. Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins. Die Frau, die später seine
Mutter wurde, musste den Umweg über Shanghai nehmen. Auch sie ist eine der
wenigen Überlebenden ihrer großen Danziger Familie. Ich weiß nicht, was ich
sagen soll. Ich umarme ihn einfach. Er schaut mich sehr überrascht an. Die
honigfarbenen Augen sind plötzlich weich und unendlich tief.
    Ich erzähle ihm von der Gruppe. Wie unkompliziert und
kameradschaftlich sie sind, wenn sie nur nicht gezwungen werden, zusätzliches
Geld auszugeben. „Weißt Du, sie stopfen sich am Morgen so voll, dass es bis
abends reicht.“ erkläre ich ihm. „Am Abend türmen sie dann wieder die
nahöstlichen Köstlichkeiten auf ihre Teller. Es ist ja alles im Preis inbegriffen.“
    Raffael nickt und sagt, er werde es sich merken. Die
nächsten Tage wird er um die Mittagszeit den Bus an Highways halten lassen. Im
Gänsemarsch werden wir in hässliche Selbstbedienungslokale gehen. Er wird mich
angrinsen und sagen „Na, Elisabeth, habe ich meine Lektion gelernt?“ Die Gruppe
wird sehr zufrieden sein, nur ich könnte ihm den Hals dafür umdrehen. Für ihn
gibt’s immer nur schwarz oder weiß. Kompromisslos. 
    Auf dem Weg von Hamat Gader zum
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