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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe
Autoren: Steve Hamilton
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Leute reagieren, wenn sie jemandem begegnen, der ständig schweigt.
    Folglich brauchte ich eine Weile, um dort anzukommen. Zwei Tage seit dem Anruf, inklusive einer Menge Ärger und Mühe. Dann tauchte ich endlich auf, müde, hungrig und dreckig. So viel zu einem guten ersten Eindruck.
    Das hier war die Blue Crew. Die Jungs, die der Ghost als solide und zuverlässig bezeichnete. Nicht gerade als die Spitzenleute, aber als professionell. Auch wenn sie manchmal einen etwas groben Ton draufhatten. Wie die meisten Typen aus New York. Das war alles, was man mir über sie gesagt hatte. Das Übrige würde ich gleich selbst herausfinden.
    Sie hatten sich in einem kleinen einstöckigen Motel am Rand von Malvern, Pennsylvania eingegraben. Es war nicht die schlimmste Unterkunft, die ich je gesehen hatte, aber man konnte wohl schon einen Koller bekommen, wenn man ein, zwei Tage länger dort festsaß als geplant. Besonders, wenn man sich nicht groß blicken lassen wollte und Pizzas bestellte, statt essen zu gehen, und sich eine Pulle hin und her reichte, statt zu gucken, was die Bars der Gegend zu bieten hatten. Aus welchem Grund auch immer, jedenfalls waren sie nicht gerade bester Laune, als ich endlich erschien.
    Es waren nur zwei. Mit einem so kleinen Team hatte ich nicht gerechnet, und sie wohnten auch noch beide im selben Zimmer. Was sicher nicht zur Besserung ihrer Stimmung beitrug. Der Mann, der die Tür aufmachte, schien das Sagen zu haben. Er war kahlköpfig und hatte rund zwanzig Pfund Übergewicht, sah aber stark genug aus, um mich geradewegs durchs Fenster zu schleudern. Er sprach mit einem starken New Yorker Akzent.
    »Wer bist du?« Er starrte mich fünf Sekunden lang nieder, dann ging ihm ein Licht auf. »Moment mal, bist du der Typ, auf den wir warten? Rein mit dir!«
    Er zog mich ins Zimmer und machte die Tür zu.
    »Du willst mich verarschen, oder? Ist das ein Witz?«
    Der andere saß am Tisch, sie waren mitten in einer Partie Gin Rommé. »Was ist mit dem Kleinen?«
    »Das ist der Schrankmann, auf den wir warten, siehst du das nicht?«
    »Wie alt ist der, zwölf?«
    »Wie alt bist du, Junge?«
    Ich hielt zehn Finger in die Höhe, dann acht. Zwar wurde ich erst in vier Monaten achtzehn, aber ich dachte mir, wen schert’s. Ist ja bald.
    »Sie haben gesagt, dass du nicht viel redest. Stimmt offenbar.«
    »Scheiße, warum hast du so lange gebraucht?«, sagte der Mann am Tisch. Sein Akzent war noch heftiger als der des anderen. Er hörte sich an, als stünde er an einer Straßenecke in Brooklyn. Ich taufte ihn in Gedanken Brooklyn. Die richtigen Namen würde ich sowieso nie erfahren.
    Ich hob den rechten Daumen und bewegte ihn langsam hin und her.
    »Du musstest per Anhalter fahren? Willst du mich hochnehmen?«
    Ich hob resigniert die Hände. Ging nicht anders, Jungs.
    »Du siehst total scheiße aus«, sagte der Erste. »Willst du erst mal duschen oder so?«
    Die Idee fand ich super. Also ging ich duschen und kramte in meiner Tasche nach etwas Sauberem zum Anziehen. Danach fühlte ich mich beinahe wieder wie ein Mensch. Als ich zurück ins Zimmer kam, merkte ich, dass sie über mich geredet hatten.
    »Heute Nacht ist die letzte Gelegenheit«, sagte Manhattan – das war mein Spitzname für den Anführer. Wenn sie noch drei Typen dabeigehabt hätten, hätten wir alle fünf Bezirke abdecken können. »Bist du sicher, dass du fit genug bist?«
    »Unser Mann kommt morgen früh nach Hause«, warf Brooklyn ein. »Wenn wir jetzt nicht zuschlagen, war der ganze Trip für’n Arsch.«
    Ich nickte. Verstanden, Jungs. Was wollt ihr noch von mir?
    »Du redest wirklich nicht«, sagte Manhattan. »So was, die haben mich nicht veräppelt. Du sagst echt kein beschissenes Wort.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Kriegst du den Safe dieses Typen auf?«
    Ich nickte.
    »Mehr brauchen wir nicht zu wissen.«
    Brooklyn sah nicht ganz so überzeugt aus, aber im Moment hatte er keine Wahl. Sie hatten auf ihren Schrankmann gewartet. Und ihr Schrankmann war ich.
     
    Etwa drei Stunden später, die Sonne war inzwischen untergegangen, saß ich hinten in einem Lieferwagen mit der Aufschrift ELITE RENOVATIONS. Manhattan fuhr. Brooklyn saß auf dem Beifahrersitz und drehte sich alle paar Minuten zu mir um. Daran würde ich mich wohl gewöhnen müssen. Es war, wie der Ghost gesagt hatte: Diese Typen hatten schon die ganze Laufarbeit gemacht, hatten ihr Zielobjekt ausbaldowert, hatten jeden Schritt ihres Opfers verfolgt, hatten die ganze Operation
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