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Der Maler und die Lady (German Edition)

Der Maler und die Lady (German Edition)

Titel: Der Maler und die Lady (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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Hände in den Hosentaschen vergraben. Selbst in Jeans und Pullover verbreitete er eine Aura der Förmlichkeit. Gegensätzlichkeiten machten Lara neugierig, sie interessierten sie als Frau und als Künstlerin.
    Anatole drehte sich um und betrachtete sie genauso aufmerksam wie ihr Porträt. Tags zuvor hatte sie sich von einer schmuddeligenGöre in eine elegante Dame verwandelt. Heute stellte sie den Prototyp des Bohemiens dar. Ihr Gesicht war ungeschminkt und schmucklos, denn sie hatte das Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug einen sackförmigen schwarzen Pullover, ausgebeulte, mit Farbe bekleckste Jeans und war barfuß. Gegen seinen Willen fand Anatole sie attraktiv.
    Lara drehte sich um. Durch Zufall oder Absicht fiel das Sonnenlicht auf ihr Profil. In diesem Augenblick sah sie atemberaubend aus. Aufseufzend betrachtete Lara ihr eigenes Gesicht. „Ein wahrer Engel.“
    „Ganz offensichtlich war dein Vater anderer Meinung.“
    Ihr Lachen klang tief und kehlig. Anatoles ruhige, trockene Ausdrucksweise gefiel ihr ungemein.
    „Das war er in der Tat, aber nicht jeder bemerkt es.“ Lara freute sich, dass es Anatole aufgefallen war, aus dem einfachen Grund, weil sie ein scharfes Auge und klugen Verstand schätzte. „Hast du schon gefrühstückt?“
    Anatole entspannte sich. Lara hatte sich umgedreht. Ihr Gesicht war nicht länger von der Sonne angestrahlt. Jetzt war Lara nur noch eine reizvolle, freundliche Frau. „Nein, ich war zu sehr in ehrfürchtiges Staunen vertieft.“
    „Mit leerem Magen sollte man das vermeiden. Es ist schlecht für die Verdauung.“ Lara drückte auf die Klingel, hakte sich bei Anatole ein und führte ihn zum Tisch. „Nach dem Frühstück zeige ich dir das Haus.“
    „Gern.“ Anatole nahm ihr gegenüber Platz. An diesem Morgen hatte Lara kein Parfum benutzt. Sie duftete nach Seife und wirkte frisch und geschlechtslos. Trotzdem erregte sie ihn.
    „Die Führung durchs Haus beginnt im Erdgeschoß und geht nach oben“, verkündete Lara fröhlich. Sie erhob sich vom Frühstückstisch und reichte Anatole die Hand. „Die Kellerverliese sind herrlich schauerlich und feucht. In Anbetracht deines Kaschmirpullovers heben wir uns die für später auf.“
    „Sagtest du Verlies?“ Er ergriff ihre Hand und ging mit Lara aus dem Zimmer.
    „Bedauerlicherweise benutzen wir die Kellerräume nicht mehr, aber unter bestimmten Voraussetzungen hört man auch heute noch hinund wieder ein Stöhnen und Rasseln.“ Sie sagte das so zwanglos daher, dass er ihr beinahe glaubte. Lächerliches höchst plausibel erscheinen zu lassen, gehörte zweifellos zu einer ihrer größten Begabungen.
    Fast eine Stunde lang besichtigten sie ein Zimmer nach dem anderen. Ganz offensichtlich hatte er die wirkliche Größe des Anwesens unterschätzt. Flure schlängelten sich und knickten abrupt ab, winzige und riesig große Räume taten sich auf, wo man sie am wenigsten erwartete. Sein Job, die Aufgabe, die er übernommen hatte, würde doch sehr zeitraubend sein … es sei denn, Anatole hatte sehr großes Glück.
    Lara öffnete eine schwere, geschnitzte Doppeltür und führte ihn in die Bibliothek. Sie hatte die Größe eines durchschnittlichen Zweizimmer-Apartments und war in zwei Ebenen aufgeteilt. Verblichene Perserteppiche lagen verstreut auf dem Fußboden. Die gegenüberliegende Wand war vollständig mit den gleichen kleinen Butzenscheiben verglast, die es fast im ganzen Haus gab. An den übrigen Wänden reichten die Bücherregale vom Boden bis zur Decke. Ein Blick auf die Buchrücken gab Aufschluss: Chaucer stand neben D. H. Lawrence, Steven King neben Milton. Es war auch nicht die Andeutung von Organisation zu entdecken. In der Luft lag ein schwerer Geruch nach Leder, Staub und Zitronenöl.
    Bücher beherrschten den Raum. Für Bilder war kein Platz vorhanden, aber es gab einige Skulpturen.
    Anatole ergriff ein Stück Marmor in Form aufflackernder Flammen. Es war weißer Marmor, und doch hatte Anatole den Eindruck, die in Stein gemeißelt Lohe fast körperlich zu spüren. Von ihrem Vater hatte Lara das Talent geerbt, Lebendigkeit zu erzeugen.
    Einen Augenblick lang vergaß Anatole, warum er sich hier befand und dachte nur an die Frau und Künstlerin. „Wo hast du studiert?“
    Als Anatole sich umdrehte und sie aus ruhigen braunen Augen ansah, war die flapsige Antwort, die ihr auf der Zunge lag, vergessen. „Offiziell auf der Ecole des Beaux Arts. Aber unabhängig davon hat mich mein Vater
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