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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch
Autoren: Andrzej Sapkowski
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nicht hier. Dort drüben, wenn’s recht ist.«
    Der Unbekannte setzte sich. Er hatte sowohl das Schwert als auch den schwarzen Mantel abgelegt.
    »Ich höre«, sagte Velerad und spielte dabei mit einem schweren Streitkolben, der auf dem Tisch lag. »Ich bin Velerad, der Stadtvogt von Wyzima. Was hast du mir zu sagen, Herr Räuber, ehe du ins Verlies wanderst? Drei Erschlagene, der Versuch, die öffentliche Ordnung zu verletzten, nicht übel, gar nicht übel. Für so was wird man bei uns in Wyzima gepfählt. Aber ich bin ein gerechter Mann, ich höre dich vorher an. Sprich.«
    Der Rivier schnürte sein Wams auf und holte eine Rolle weißen Ziegenleders daraus hervor.
    »Das schlagt ihr an den Kreuzwegen, in den Schenken an«, sagte er leise. »Ist es wahr, was da steht?«
    »Ah«, murmelte Velerad und sah sich die aufs Leder gemalten Runen an. »So ist das also. Dass ich nicht gleich draufgekommen bin. Ja, es ist wahr, die reinste Wahrheit. Mit Unterschrift. Foltest, König, Herr über Temerien, Pontar und Mahakam. Also stimmt es. Aber Bekanntmachung hin und her, Recht bleibt Recht. Ich wache hier in Wyzima über Recht und Ordnung! Ich erlaube keinem, Menschen umzubringen! Hast du kapiert?«
    Der Rivier senkte den Kopf, zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
    Velerad schnaufte wütend: »Ein Hexerzeichen hast du?«
    Abermals griff der Unbekannte in sein Wams und zog ein rundes Medaillon an einer silbernen Kette hervor. Auf dem Medaillon war ein Wolfskopf mit gebleckten Fangzähnen dargestellt.
    »Hast du vielleicht einen Namen? Es kann irgendeiner sein, ich frage nicht aus Neugier, sondern nur, um das Gespräch zu erleichtern.«
    »Ich heiße Geralt.«
    »Meinetwegen Geralt. Aus Rivien, wie ich aus der Aussprache schließe?«
    »Aus Rivien.«
    »So. Weisst du was, Geralt? Von dem« – Velerad schlug mit der Hand auf die offen daliegende Bekanntmachung –, »von dem lass die Finger. Das ist eine ernste Sache. Das, Bruderherz, ist was anderes, als ein paar Galgenstricke zu erledigen.«
    »Ich weiß. Es ist mein Beruf, Stadtvogt. Da steht geschrieben: Dreitausend Orons Belohnung.«
    »Dreitausend.« Velerad verzog den Mund. »Und die Prinzessin zur Frau, wie die Leute reden, obwohl der gnädige Herr Foltest davon nichts geschrieben hat.«
    »An der Prinzessin bin ich nicht interessiert«, sagte Geralt gelassen. Er saß reglos da, die Hände auf den Knien. »Da steht dreitausend.«
    »Was für Zeiten!«, seufzte der Stadtvogt. »Was für lausige Zeiten! Noch vor zwanzig Jahren, wem wäre es da auch nur im Suff eingefallen, dass es solche Berufe geben würde? Hexer! Fahrende Basiliskentöter! Von Haus zu Haus ziehende Vertilger von Drachen und Wassermännern! Geralt? Darf man in deinem Beruf Bier trinken?«
    »Gewiss.«
    Velerad klatschte in die Hände. »Bier!«, rief er. »Und du, Geralt, rück näher ran. Was soll ich so weit reden.«
    Das Bier war kalt und schäumte.
    »Lausige Zeiten sind angebrochen«, setzte Velerad seinen Monolog fort, während er nach dem Krug griff. »Alles mögliche Ungeziefer hat sich vermehrt. In Mahakam, in den Bergen, wimmelt es vor Murmelmenschen. In den Wäldern haben früher höchstens die Wölfe geheult, heute aber – Vampire, Waldteufel, auf Schritt und Tritt ein Werwolf oder sonst ein Viehzeug. In den Dörfern stehlen Nixen und Banshees die Kinder, das geht schon in die Hunderte. Krankheiten, von denen nie jemand gehört hat, die Haare sträuben sich einem. Und zu guter Letzt noch das!« Er schlug auf das Stück Leder auf der Tischplatte. »Kein Wunder, Geralt, dass eure Dienste so gefragt sind.«
    »Die königliche Bekanntmachung, Stadtvogt.« Geralt hob den Kopf. »Kennt Ihr Einzelheiten?«
    Velerad lehnte sich im Sessel zurück und faltete die Hände vor dem Bauch. »Einzelheiten, sagst du? Kenne ich. Nicht gerade aus erster Hand, aber aus guten Quellen.«
    »Genau darum geht es mir.«
    »Du hast es dir in den Kopf gesetzt. Wie du willst. Hör zu.« Velerad trank einen Schluck Bier und senkte die Stimme. »Unser gnädiger Herr Foltest hat uns schon als Prinz, zur Zeit des alten Medell, gezeigt, was er kann, und er konnte eine Menge. Wir dachten, dass sich das mit der Zeit geben würde. Stattdessen hat sich Foltest kurz nach seiner Krönung, sofort nach dem Tode des alten Königs, selbst übertroffen. Wir waren alle baff. Kurz und gut, er hat seiner eigenen Schwester Adda ein Kind gemacht. Adda war jünger als er, sie waren immer zusammen, aber niemand hatte einen Argwohn, nun
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