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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch
Autoren: Andrzej Sapkowski
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treten? Graf Falwick, seid so gütig und geruht, meine Neugier zu befriedigen.«
    Falwick erbleichte, trat einen Schritt zurück, blickte um sich. Die Söldner wichen seinem Blick aus. Dennis Cranmer verzog das Gesicht, streckte die Zunge heraus und spuckte in hohem Bogen aus.
    »Ihr schweigt zwar«, fuhr Geralt fort, »doch ich höre in Eurem Schweigen die Stimme der Vernunft, Herr Falwick. Ihr habt meine Neugier befriedigt, nun will ich die Eure befriedigen. Falls Ihr wissen möchtet, was geschieht, wenn der Orden in irgendeiner Weise Mutter Nenneke oder den Priesterinnen Kummer bereitet oder wenn Hauptmann Cranmer über Gebühr bedrängt wird, dann wisst, Graf, dass ich Euch in diesem Fall ausfindig machen und Euch, ohne mich um irgendeinen Kodex zu scheren, wie ein Schwein abstechen werde.«
    Der Ritter erbleichte noch mehr.
    »Vergesst mein Versprechen nicht, Herr Falwick. Komm, Rittersporn. Für uns ist es Zeit. Mach’s gut, Dennis.«
    »Viel Glück, Geralt.« Der Zwerg lächelte breit. »Mach’s gut. Ich bin sehr erfreut über unsere Begegnung und hoffe auf weitere.«
    »Ganz meinerseits, Dennis. Also dann bis bald.«
    Sie ritten demonstrativ langsam weg, ohne sich umzublicken. Erst als sie im Wald verschwunden waren, ließen sie die Pferde traben.
    »Geralt«, ließ sich plötzlich der Dichter vernehmen. »Wir reiten doch nicht geradewegs nach Süden? Wir werden einen Bogen um Ellander und die Ländereien von Hereward machen müssen? Was? Hast du vor, dieses Schauspiel fortzusetzen?«
    »Nein, Rittersporn. Das habe ich nicht vor. Wir reiten durch die Wälder, und später biegen wir auf den Händlerweg ein. Denk dran: zu Nenneke kein Wort über diese Rauferei! Kein Sterbenswörtchen.«
    »Ich hoffe, wir brechen unverzüglich auf?«
    »Sofort.«

II
    Geralt bückte sich, überprüfte den reparierten Steigbügel, stellte den nach frischem Leder riechenden Steigriemen, der noch steif war und schwer durch die Schnalle glitt, auf die richtige Länge ein. Er richtete den Bauchgurt, die Satteltaschen und die hinterm Sattel zusammengerollte Pferdedecke, das an ihr festgebundene silberne Schwert. Nenneke stand reglos daneben, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Rittersporn kam herbei, er führte seinen schwarzbraunen Wallach. »Ich danke für die Gastfreundschaft, Ehrwürdige«, sagte er ernst. »Und sei mir nicht mehr böse. Ich weiß ja doch, dass du mich gernhast.«
    »Allerdings«, stimmte Nenneke zu, ohne zu lächeln. »Ich hab dich gern, du Tölpel, obwohl ich selber nicht weiß, warum. Mach’s gut.«
    »Auf Wiedersehen, Nenneke.«
    »Auf Wiedersehen, Geralt. Pass auf dich auf.«
    Der Hexer lächelte geduldig. »Ich passe lieber auf andere auf. Auf lange Sicht erweist sich das als besser.«
    Aus dem Heiligtum, zwischen den efeubewachsenen Säulen hindurch, kam Iola in Begleitung zweier junger Adeptinnen. Sie trug das Köfferchen des Hexers. Sie wich ungeschickt seinem Blick aus, ihr bekümmertes Lächeln mischte sich mit der Röte auf dem sommersprossigen, pausbäckigen Gesichtchen und ergab eine hübsche Komposition. Die Adeptinnen verbargen ihre vielsagenden Blicke nicht und hielten mit Mühe ein Kichern zurück.
    »Bei der Großen Melitele«, seufzte Nenneke. »Eine ganze Abschiedsprozession. Nimm den Koffer, Geralt. Ich habe deine Elixiere vervollständigt, du hast jetzt alles, was fehlte. Und die Medizin, du weißt, welche. Nimm sie zwei Wochen lang regelmäßig. Vergiss es nicht. Es ist wichtig.«
    »Ich vergesse es nicht. Danke, Iola.«
    Das Mädchen senkte den Kopf, gab ihm das Köfferchen. Sie hätte so gern etwas gesagt. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, mit welchen Worten. Sie wusste nicht, was sie sagen würde, wenn sie es könnte. Sie wusste es nicht. Und wollte es dennoch.
    Ihrer beider Hände berührten sich.
    Blut. Blut. Blut. Knochen wie weiße zerbrochene Stöckchen. Sehnen wie weißliche Seile springen unter aufplatzender Haut hervor, die von großen, mit Ringen besetzten Pfoten und scharfen Zähnen aufgerissen wird. Der abscheuliche Widerhall eines zerfetzten Körpers und ein Schrei – schamlos und in seiner Schamlosigkeit Entsetzen verbreitend. In der Schamlosigkeit des Endes. Des Todes. Das Blut und der Schrei. Der Schrei. Das Blut. Der Schrei ...
    »Iola!!!«
    Mit für ihre Leibesfülle unglaublicher Geschwindigkeit stürzte sich Nenneke neben das Mädchen, das am Boden lag und in Krämpfen zuckte, hielt es an Schultern und Haaren fest. Eine der Adeptinnen stand wie vom
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