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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Autoren: Denise Mina
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versuchte sie irgendwie so zu halten, dass sie ihre Finger nicht gegen die Klinge pressen musste. Steifbeinig stand sie auf, wandte sich dem moosbewachsenen Weg an der Seite des Hauses zu und erwartete McBree dort zu sehen.
    Ein sanfter Windstoß wehte ihr das Haar aus dem Gesicht. Stille. Er kam nicht ums Haus herum. Er schlich sich an.
    Der Gedanke bestürzte sie. Es wäre weniger angsteinflößend gewesen, wenn er auf sie zugegangen wäre, ihr ins Gesicht gesehen und mit ihr gesprochen hätte. Offenbar aber hatte McBree stattdessen vor, sich aus der Dunkelheit heraus auf sie zu stürzen und sie zu erschrecken wie eine alte Jungfer. Der Gedanke, dass ihre letzten Worte auf dieser Welt ein unwürdiger Schreckensschrei sein könnten, war demütigend.
    Sie wandte sich mit dem Rücken zur Wand, trat einen Schritt zur Seite und versank in der Dunkelheit im Innern des Hauses.

II
    Der Fußboden wehrte sich gegen jeden Schritt und deshalb blieben sie beide still stehen. Paddy hielt sich in der Küche am kalten Metall des Herds fest, spürte den fettigen Staub unter ihren Fingern und die Klingen der Schere, die sie fest umklammerte. Er stand irgendwo im vorderen Teil, in einem der Schlafzimmer oder dem Badezimmer, irgendwo links. Sie hörte etwas unter seinen Füßen knirschen, Blätter oder Glas. Das Geräusch hallte an den verzogenen Wänden vorbei, prallte von ihnen ab und verzerrte.
    Eine Bodendiele knarrte, als er einen Schritt machte und sich korrigierte. Sie hörte Stoff, der an etwas entlangstrich. Er hielt sich dicht an der Wand, weil die Dielen dort besser verankert waren. Schlau. Seinem Beispiel folgend glitt auch sie durch den Raum, machte vorsichtige Schritte, schlich auf Zehenspitzen an der Hintertür vorbei zum Schrank, wo es dunkel war. Er würde hier hereinkommen, sich von der Tür aus umsehen, sie auf Kopfhöhe suchen. Sie hockte sich hin, behielt die Füße genau dort, wo sie waren, verdrehte nur die Knie, um im Schatten zu verschwinden.
    Sie hörte einen Atemzug an der Tür zum Wohnzimmer, ein nasales Ausatmen. Der schwere Atem eines Rauchers. Und dann sagte McBree etwas, flüsterte nicht, sondern sprach mit ganz normaler Stimme, als wollte er eine Zeitung kaufen.
    »Sie haben mich hergebeten.«
    Er hatte recht. Sie rutschte an der morschen Wand hoch, um wieder gerade zu stehen. Er trat auf sie zu und sah sie an, lächelte, als wären sie alte Freunde.
    »Kommen Sie da raus«, sagte er und klang nett.
    Aber das tat sie nicht. »Wissen Sie, wer hier gewohnt hat?«
    Er machte ihr Zeichen, näher zu kommen.
    Doch sie blieb lieber, wo sie war. »Terry Hewitt ist hier aufgewachsen.«
    Er ließ sich nichts anmerken. »Da, wo ich herkomme, gibt es viele alte Häuser wie dieses.«
    »Schlimme Straße hier raus, was?«
    »Schlimm, ja. Völlig uneinsehbare Kurve.«
    McBree sah sich im Raum um, als gäbe es in der tintenschwarzen Dunkelheit etwas zu entdecken. Er griff in seine Tasche und nahm etwas heraus. Erst als er eine anzündete, erkannte sie, dass es eine Schachtel Zigaretten war. Er hielt sie ihr hin, versuchte sie aus ihrer Ecke herauszulocken.
    Sie ignorierte das Angebot. »Terrys Eltern sind da draußen an der Einfahrt gestorben. Er war siebzehn Jahre alt. Noch ein Kind. Er war der Erste am Unfallort.«
    »Ja.« Er führte die Zigarette zum Mund, sog gierig den Rauch ein, die Glut warf einen grellen roten Schimmer auf seine Brille, verbarg seine Augen. »Im Imbiss meiner Eltern ging eine Bombe hoch. Dabei sind sie gestorben. Meinen Dad hat’s völlig zerfetzt.«
    »Sind Sie Einzelkind?«
    »Gott, nein.« Er sah sie eindringlich an. »Von uns gibt’s Hunderte.«
    »Wurden die Attentäter gefasst?«
    »Von wem? Der Polizei?« Er lächelte. »Nein, die haben sie nie gekriegt. Sie wussten, wer’s war, aber man hat sich nicht die Mühe gemacht, sie zu verhaften.«
    »Und jetzt arbeiten Sie für die Leute, die die Mörder Ihrer Eltern ungeschoren davonkommen ließen.«
    McBree zuckte kurz zusammen, lachte sie dann aus und machte eine Drehbewegung mit dem Finger an der Schläfe. »Sie wollen mich wohl irremachen, was?«
    »Wie können Sie nur? Womit haben die Sie in der Hand? Sind Sie schwul oder Spieler, oder was?«
    Wieder lachte er, diesmal weniger selbstsicher. »Sie sind noch sehr naiv für Ihr Alter. Wenn man jung ist, sieht vieles einfacher aus.«
    »Haben die Bilder von Ihnen, auf denen Sie irgendwas Kompromittierendes tun? Sind Sie hin- und hergerissen: Entweder die gemeinsame Sache verraten oder
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