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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Autoren: Denise Mina
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verletzen. Er wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb.
    Er trug den Kanister in der rechten Hand, schwankte heftig hin und her, das Benzin platschte gegen die Innenwände und folgte dem Rhythmus seines Gangs.
    Dicke Möwen schrien heiser über ihm und das Wasser im Bach plätscherte melodisch, fast spielerisch, und störte die Dunkelheit der Nacht. Er spürte die Anstrengung in den Fußgelenken, als er schnellen Schrittes den Abhang entlangeilte. Ein- oder zweimal war er bereits gestolpert, hatte jedes Mal haltmachen müssen, um sich davon zu überzeugen, dass er sich nicht verletzt hatte, erst dann war er weitergelaufen. Er konnte das Haus noch nicht sehen, aber er wusste, dass es dort war, oben auf dem Hügel, hinter der Gruppe von Büschen und Bäumen.
    Als er an den Rand des gemähten Feldes gelangte, stieg er über einen Zaun, um auf ein anderes Feld zu gelangen. Hier war die Erde lockerer, das kräftige Gras war an den Kanten scharf wie Rasierklingen. Er rannte geduckt weiter, umging die Hügelkuppe, seine Hand schwitzte am Plastikgriff des Benzinkanisters und machte ihn rutschig. Er erreichte eine eingestürzte Mauer, einen guten halben Meter hoch und aus alten Steinen errichtet, der Mörtel war verwittert und porös. Er sah auf.
    Er war an der alten Mauer angekommen, die den Garten des Cottage umgab. Und dort, ganz hinten, sah er ein Streichholz aufammen, ein warmer orangefarbener Fluchtpunkt. Dort saß sie ganz alleine auf einem Stuhl in der Dunkelheit.
    Er ließ seinen Augen Zeit, sich an das schwindende Licht zu gewöhnen. Im Schein der Zigarettenglut konnte er ihr Gesicht erkennen. Sie lächelte.
    Er ging in die Hocke und beobachtete sie, stellte den Benzinkanister auf den unebenen Boden. Aufmerksam achtete er auf jedes Geräusch, das er vielleicht verursachen könnte, und schraubte den Plastikdeckel ab, arbeitete langsam mit den Fingern, bis er lose saß. Er hob den Deckel ab und legte ihn auf den Boden neben dem Kanister.
    Dann wartete er.

35
Ein animalischer Hunger

I
    Paddy rauchte schon ihre dritte Zigarette. Es war still hier und das gefiel ihr nicht. Sie hörte, wie sich das Gras im Wind wiegte, das Trappeln winziger Pfoten im Haus, Mäuse oder Ratten, die Callums blutrünstigen Feldzug überlebt hatten. Sie schienen irgendwie auf das Dach gelangt zu sein und sie fürchtete, dass sie ihr auf den Kopf fielen, weshalb sie den Stuhl ein wenig von der Wand wegschob.
    Sie hatte versucht, sich einen bedeutsamen letzten Gedanken einfallen zu lassen, eine tolle, allumfassende Schlussfolgerung über den Kern des Daseins, aber stattdessen beanspruchte Weltliches ihre Aufmerksamkeit: Nach den beiden Snickers war ihr leicht schlecht, sie war müde und sie musste pinkeln. Vielleicht würde sie die ganze Nacht warten müssen. Woher wollte sie eigentlich wissen, dass Knox McBree direkt erreichen würde. Vielleicht würde sie zehn Stunden alleine hier sitzen.
    Sie sah zum dunklen Himmel hinauf. Ein dickes marineblaues Band Regen kam vom Meer herein, jagte die Möwen ins Landesinnere. Die ferne Landschaft verschwamm, verlor sich in der Dunkelheit.
    Sie versuchte möglichst nicht an Pete, ihre Mutter oder Terry Hewitt zu denken, sondern die frische Abendluft zu atmen und zu spüren, wie das Nikotin sanft in ihr pulsierte, die Müdigkeit vertrieb und auf ihrer Haut prickelte. Ihre Gedanken aber kehrten immer wieder nach Hause zu ihrem Sohn und den unerledigten Aufgaben zurück, zu all der unerwiderten Freundlichkeit. Wäre sie zu Hause gewesen, wäre sie in die Redaktion gefahren und hätte sich mit Arbeit abgelenkt.
    Sie lächelte in sich hinein. IRA von Briten bezahlt. Briten finanzieren IRA. Terrorchef arbeitet in unserem Auftrag. Sie jonglierte mit Schlagzeilen; keine davon funktionierte besonders gut, aber es machte ihr Spaß. Dann fing sie mit dem Artikel an, stellte sich vor, was Merki mit dem Material anfangen würde, das sie ihm hinterlassen hatte. Terrorchef. Das würden sie mit Sicherheit verwenden.
    Erst allmählich wurde ihr das leise Dröhnen eines Motors auf der Straße bewusst. Zuerst hatte es wie alle anderen Autos geklungen, die um die scharfe Kurve bogen, doch dann hatte es nicht beschleunigt, die Reifen hatten den Asphalt verlassen und rollten nun vorsichtig die Einfahrt hinauf, knirschten gedämpft im Gras.
    Langgestreckte weiße Lichtkegel strahlten seitlich am Haus vorbei, ließen das Gras blau erscheinen. Dann erlosch das Licht.
    Paddy ließ ihre Zigarette fallen, öffnete die Schere,
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