Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Autoren: Denise Mina
Vom Netzwerk:
Gebäudes statt.
    Der Streifenwagen hielt im absoluten Halteverbot direkt davor. Paddy folgte seinem Beispiel und stellte sich dahinter. Kilburnie und Blane warteten jetzt deutlich besser gelaunt auf dem Bürgersteig, verhielten sich ihr gegenüber aber distanziert und aufmerksam. Sie hatten über sie geredet, das konnte sie riechen.
    Vom Leichenschauhaus sah man auf den Glasgow Green Park, einer schlecht beleuchteten Rasenfläche, südlich begrenzt durch den Clyde River und eingerahmt von den Hochhäusern der einst berüchtigten Gorbals auf der einen Seite und den baufälligen Wohnhäusern an der Gallowgate auf der anderen. Nachts war der Park Treffpunkt für Straßennutten und betrunkene Männer, die diese entweder vögeln oder ausrauben wollten. Regelmäßig lösten sich Schatten aus der feuchten Nacht und strebten auf das Leichenschauhaus zu; vielleicht zogen die Lichter sie an oder auch die vage Hoffnung, dort Drogen zu bekommen, doch vermutlich wusste keiner von ihnen genau, weshalb er kam und gegen die Eichentür hämmerte oder an den Fenstern kratzte.
    Der schmale Treppenabsatz vor der Tür war zu eng für die drei Personen. Blanes ausladende Statur schluckte das Licht. Die Klingel summte vergeblich, als Blane auf den Knopf drückte.
    »Überbringen Sie beide öfter Todesnachrichten?«
    »Nicht oft«, sagte Blane.
    »Na ja, ich fürchte, ich arbeite für die Familienfürsorge.« Kilburnie lächelte traurig und neigte ihren Kopf zur Seite, womit sie Paddy an ihre Rolle als trauernde Betroffene erinnerte. »Ich bin recht oft hier, fürchte ich.«
    »Sie fürchten sich ganz schön viel«, nuschelte Paddy leise.
    Blane grinste seine Schuhe an. Erzähl das ruhig deinen Kumpels, lag es Paddy schon auf der Zunge: Meehan reißt Witze an der Tür zum Leichenschauhaus, wo sie einen Toten identifizieren soll.
    Sie hatte während der gesamten Fahrt in die Stadt vermieden, an Terry zu denken, hatte sich stattdessen mit Pete beschäftigt und überlegt, wie sie die neue Wohnung streichen und wann sie endlich ins Büro fahren würde, um die Geschichte aufzuschreiben. Denn ganz egal, wie viel Zeit sie auch darauf verwenden würde, auf den Anblick einer Leiche konnte man sich nicht vorbereiten. Das wusste sie aus Erfahrung.
    Als ihr Vater Con gestorben war, hatte die Familie nachts Totenwache am offenen Sarg gehalten. Con Meehan war zum grauen Abbild seiner selbst geworden: Er war nicht mehr derselbe Mann, sondern ein Hochstapler in Daddys bestem Anzug. Sie hatte sich an ihren Schmerz geklammert, gewusst, dass es die letzte Gefühlsregung sein würde, die ihr Vater jemals in ihr auslösen würde.
    Es war ein schrecklicher Tod gewesen: Er war achtundfünfzig Jahre alt und von Geschwüren zerfressen gewesen, aber in den letzten elenden Monaten waren die körperlichen Schmerzen nichts im Vergleich zu seiner Wut. Er wehrte sich bis zum Schluss, kratzend und weinend, wollte nicht akzeptieren, dass seine Zeit gekommen war. Jeder in der Familie ging damit so gut um, wie er konnte: Seine Frau Trisha glaubte, es läge daran, wie alles mit Paddy und Caroline gelaufen war und daran, dass die Jungs nicht gläubig waren. Caroline schrieb seine Wut seiner langen Arbeitslosigkeit zu, während der er keinerlei Unterstützung bekommen hatte. Die Jungs sagten, die Medikamente seien schuld, Mary Ann behauptete, es sei der Schmerz. Aber als ihm Paddy in die Augen sah, begriff sie, dass es das Bedauern war, das sich in ihm aufbäumte. Con war ein zurückhaltender Mann gewesen. Sein Leben lang war er Konflikten aus dem Weg gegangen, hatte jedermann die Tür aufgehalten, stets abgewartet und jetzt plötzlich war seine Zeit abgelaufen.
    Sie hatte es aufgegeben, den Tod begreifen zu wollen. Sie hatte eine Methode entwickelt, sich einzureden, Con befände sich auf einer langen glücklichen Reise und sie würde ihn eines Tages wiedersehen und dann wäre alles besser, er wäre tumorfrei, das Bedauern und die Distanz zwischen ihnen wären verschwunden.
    Erst viel später begriff sie, dass ihre Mutter denselben Trick anwandte, nur sein Reiseziel, anders als Paddy, »Himmel« nannte.
    Blane blickte nervös auf den nebligen Park hinaus und schimpfte kaum hörbar, als er noch einmal die Klingel betätigte. Kilburnie sah Paddy ausdruckslos an, bis ihr wieder einfiel, was sie während ihrer Ausbildung gelernt hatte: Ihr Gesichtsausdruck wurde sanft und sie griff stützend nach Paddys Arm, schreckte jedoch zurück, als sie deren grimmigen Blick sah.
    Paddy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher