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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Autoren: Denise Mina
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Kolumne. Ich bin immer ganz Ihrer Meinung. Sie schreiben Sachen, bevor ich sie überhaupt denken kann.«
    Paddy zeigte höflich die Zähne. »Danke schön«, sagte sie.

3
Embassy Regal und Irn-Bru

I
    Paddy kurbelte das Fenster herunter. Als sie den roten Rücklichtern des Polizeiwagens folgte, streichelte der warme Wind ihr Gesicht und brachte den Geruch des Hochsommers nach Staub und fauligem Gemüse mit.
    Blane und Kilburnie saßen im Wagen vorne, lachten sich zweifellos über ihren lilafarbenen Flur kaputt und tauschten pikante Detailinformationen über sie und George Burns aus. Spätestens am nächsten Morgen würden alle wissen, was in Terrys Abschiedsbrief stand. Sie würden jede Einzelheit genau ausführen: Terry hatte sich wegen ihr das Leben genommen, sie aber liebte Burns immer noch und sah sich deshalb seine Show an, sie hatte ihren Flur lilafarben und gelb gestrichen und Dub war ihr Freund oder ein Ablenkungsmanöver. In gleichem Maße wie ihr Erfolg, hatten auch die Gerüchte zugenommen, sie sei eine Lesbe. Dahinter stand die Absicht, sie schlechtzumachen, doch ihr gefiel die Vorstellung, unbezwingbar zu sein – in jeder Hinsicht.
    Eine grüne Ampel sprang auf Gelb, als der Polizeiwagen daran vorbeifuhr. Unnötigerweise bremste Paddy ab, hielt an, noch bevor sie auf Rot schaltete. Scheinbar aus dem Nichts tauchte vor ihr ein Pulk von Menschen auf und überquerte die Straße. Sie sah sich um. Sie strömten aus der Ramshorn Kirk, einer Kirche, die sie in diesem Jahr zum ersten Mal wahrgenommen hatte und die anlässlich der Wahl Glasgows zur europäischen Kulturhauptstadt in ein Theater umgebaut worden war.
    Ein Jahrhundert lang war Glasgow ein Synonym für Elend und Messerstechereien unter Jugendlichen gewesen, aber in den vergangenen Jahren hatte man die dicke schwarze Rußschicht mit Sandstrahlgebläse von den alten Gebäuden entfernt, und den hellgelben Stein, der in der Sonne glänzte, oder auch die blutorangefarbenen Fassaden freigelegt, die einen hübschen Kontrast zum blauen Himmel bildeten. Internationale Theatergesellschaften und Künstler kamen in die Stadt und ließen sich an ungewöhnlichen Veranstaltungsorten, alten Kirchen, Schulen, Märkten und leer stehenden Schuppen nieder, an Orten, die die Einheimischen im Alltag schon gar nicht mehr wahrgenommen hatten. Die Glasgower hatten nun nicht mehr das Gefühl, ständig ihre Heimat verteidigen zu müssen, und begannen sie mit neuem Interesse zu betrachten, wie ein Ehepartner in einer schal gewordenen Beziehung, der plötzlich herausfindet, dass der Angetraute im Ausland als Herzensbrecher gilt.
    Die Ampel schaltete auf Grün, doch Paddy blieb still sitzen, beobachtete die Fußgänger, die vor ihr die Straße überquerten. Für Theaterbesucher waren sie jung, sie rauchten im Freien, jetzt da sie wieder durften, und plauderten angeregt über das Stück, das sie gerade gesehen hatten.
    Ein paar Männer warfen bewundernde Blicke auf ihren Wagen. Es war ein großer weißer Volvo, ein Angeberschlitten, den sie gekauft hatte, um der Männerwelt, in der sie sich bewegte, zu zeigen, dass sie Erfolg hatte und das nötige Kleingeld für einen großen Wagen besaß. Sie mochte ihn nicht. Er steuerte sich wie ein Panzer und war zu groß und klobig, um in die praktischen kleinen Lücken zu passen, in die sie früher ihren Ford Fiesta bugsiert hatte. Parkte man den Volvo in einer auch nur annähernd ärmlichen Gegend, wurde dies von den Anwohnern als direkte Aufforderung betrachtet, einen Schlüssel über den Lack zu ziehen.
    Die Menschenmenge dünnte aus, sie löste die Handbremse und fuhr vorsichtig an. Vor ihr war der Polizeiwagen an die Seite gefahren, damit sie nicht abgehängt wurde, als hätte sie das städtische Leichenschauhaus nicht alleine gefunden.
    Sie fuhren weiter, bogen in die steile, gewundene High Street ein, einst das Rückgrat der Stadt, jetzt eine finstere Straße, die an brachliegenden Grundstücken vorbeiführte. Das siebenstöckige Mauthaus auf seiner kleinen Verkehrsinsel war alles, was von dem mittelalterlichen Gefängnis, in dem seinerzeit Hexen gehängt wurden, übrig war.
    Das Leichenschauhaus von Glasgow City war ein unauffälliges einstöckiges Gebäude an der Ecke zum Gericht. Auf beiden Seiten des tief gelegenen Türeingangs befanden sich Fenster, was die Front des aus rotem Backstein erbauten Gebäudes wie ein Gesicht mit eingeschlagener Nase aussehen ließ.
    Der eigentliche Betrieb fand im weiß gekachelten Keller des
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