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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir
Autoren: David Wellington
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vergießen, vielleicht als Vergeltung für das, was sie ihnen und ihren Meistern angetan hatte. Vielleicht trug man im untoten Zustand schlicht Eifersucht auf die Lebenden im Herzen. Sie wollten ihr Blut. Dann war da der Vampir, der unbekannte Vampir, der durch das Sanatorium streifte und ebenfalls nach ihr suchte, ebenfalls ihr Blut wollte. Aber aus einem anderen Grund.
    Sie hörte einen Halbtoten in der Nähe. Seine Füße verursachten weniger Lärm auf dem Linoleum als eine Katze im Garten, aber sie hörte sie. Es gab nichts Besseres als Angst, um die Sinne zu schärfen.
    Noch drei Kugeln. Ihr war klar, dass sie im Grunde nutzlos waren. Eine konnte sie sich selbst ins Herz schießen – auf diese Weise würde sie wenigstens nicht als Vampir zurückkommen.
    Oder sie konnte sich in den Kopf schießen. Dann würde sie zurückkommen.
    Wäre das wirklich so schrecklich? Es wäre Verrat an Arkeley, das ganz gewiss. Aber er hatte sie nie gemocht. Wenn sie sich in einen Vampir verwandelte, wäre ihr Leben wenigstens nicht vorbei. Es würde sich in vielerlei Hinsicht verändern. Aber es würde nicht enden.
    Ja , flüsterte Reyes in ihrem Kopf. Er hatte die ganze Nacht geschwiegen. Entweder verlor er die Macht über sie und löste sich auf, oder er wartete bloß auf den richtigen Zeitpunkt.
    Ja , stimmte ihm jemand anderes zu. In den Kopf. Jemand anderes.
    Ein Zittern überfiel sie. Sie hörte, wie der umherschleichende Halbtote keine drei Meter entfernt abrupt stehen blieb. Dann ging er an ihrem Versteck vorbei, und sie hielt die Luft an. Als er außer Hörweite war, atmete sie leise aus.
    Jemand anders hatte in ihrem Bewusstsein gesprochen. Es hatte sich überhaupt nicht wie Reyes angehört. Da war noch jemand anders in ihrem Kopf.
    »Ihr könnt alle die Schnauze halten«, sagte sie zu ihnen. Ein gebrochenes Kichern erstarb in ihrer Kehle, als hätte sie über sich selbst gelacht. Nicht nett, dachte sie, aber sie wollte ihnen nicht die Befriedigung einer Erwiderung geben.
    Sie stand auf und bahnte sich einen Weg zum Ende des schmalen Durchgangs, ließ die MiniMaglite immer nur kurz aufblitzen, um zu sehen, wo sie hintrat. Der Gang führte in einen größeren Korridor voller Paletten mit Baumaterial – Stapel aus Dachziegeln und ordentlich gebündelte Bodenfliesen, Bauholz und Reihen aus weißen Plastikeimern voller Gips. Mondlicht schien durch ein Loch in der Decke und tauchte alles in einen geisterhaften silbrigen Schimmer, aber selbst in dem unheimlichen Licht konnte Caxton erkennen, dass die Materialien dort seit Jahren unberührt stehen mussten, erworben für ein Projekt, das nie ausgeführt worden war. Vielleicht hatte das Loch in der Decke geflickt werden sollen. Das Holz war von Würmern zerfressen und fühlte sich schleimig an, ein paar der Eimer waren korrodiert und hatten weißes Pulver auf den Boden verteilt. Caxton ging vorsichtig weiter; in den Schatten jenseits des Fleckens aus Mondlicht konnte sich alles Mögliche verbergen. Ihr Blick fiel auf die Pulverschicht auf dem Boden. Der Wind, der von der Decke hereinströmte, brachte den Gips in Bewegung. Langsam füllte er eine Reihe von Fußabdrücken auf. Caxton war keine Fährtenleserin, aber sie konnte sehen, dass die Füße nicht viel größer als ihre eigenen waren. Die Abdrücke waren frisch. Vor kurzem war hier eine barfüßige Frau vorbeigekommen.
    » Laura «, sagte jemand in einem Raum in der Nähe. Oder doch nicht? Ihr Verstand spielte ihr keine Streiche, nein, dort drin ging eine Magieshow in Las Vegas-Qualität ab. Sie konnte sich auf nichts verlassen. Was sie gehört hatte, hatte wie ein Husten statt wie ein Wort geklungen. Oder wie etwas völlig anderes. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie sich davon überzeugen können, dass alles nur Einbildung gewesen war.
    Die Fußabdrücke führten sie zu einer großen Flügeltür am anderen Ende des Korridors. Schwarze Buchstaben auf der Tür verkündeten KRANKENSTATION. Jemand sandte ihr eine Nachricht – sie sollte durch diese Tür gehen. Es war eine Falle. Arkeley hatte ihr viel über Fallen beigebracht. Ihre Glieder zitterten mehr, als ihr lieb war, aber Caxton stieß eine Türhälfte auf. Sie bewegte sich mühelos, ächzte nur leise in ihren Angeln.
    Der dahinter liegende Raum war wie eine Höhle und extrem dunkel. Die Taschenlampe verriet ihr, dass man alles Tragbare entfernt hatte. Übrig geblieben waren nur schmiedeeiserne Bettgestelle mit abblätterndem weißen Lack. Es waren
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